Kleiner Trump-Effekt auch in der Pflegebranche
Der indische Gesundheitsunternehmer Shashi Baliyan (Foto) beobachtet einen Trump-Effekt in der Pflegebranche: Junge Inder zieht es zunehmend nach Deutschland. Wegen Sprache und Kultur haben sie sich bis vor Kurzem vor allem Richtung USA und Großbritannien orientiert. Doch seit der rigiden Einreisepolitik dieser beiden Länder interessieren sich immer mehr Fachkräfte und Ausbildungskandidaten für Deutschland.
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Die Ausbildungsvergütung ist ein Wettbewerbsvorteil für Deutschland, meint Shashi Baliyan
Der Mediziner Baliyan betreibt in Indien zusammen mit den beiden Deutschen Fabian und Jakob Scholz das Rekrutierungs-Joint-Venture "Charkos Europe" mit drei Sprachschulen, außerdem steht er an der Spitze der indischen Krankenhauskette Clear Medi mit über 20 Häusern sowie eines College für die Pflegeausbildung. "Wir sehen in Indien ein deutlich gestiegenes Interesse an Deutschland als Zielland", sagt Baliyan. "Das gilt für die Pflege, aber auch für viele andere Fachbereiche. An indischen Schulen wird jetzt neben Englisch und Französisch auch vermehrt Deutsch gelehrt."
Was Deutschland unter anderem interessant macht, ist, dass die Pflegeausbildung nichts kostet – sondern ganz im Gegenteil: gut vergütet wird. "Das ist wirklich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Staaten", so Baliyan. Hinzu kommt: Unter jungen Indern herrscht die Vorstellung, dass es vor allem der Pflegeberuf ist, mit dem man beste Chancen hat, in Deutschland Fuß zu fassen. Immer mehr Jüngere fragen auch nach einem Pflege-FSJ, das aber nicht zum Repertoire von "Charkos Europe" gehört.
Deutschlernen fällt vielen Indern relativ leicht
Aber natürlich gibt es auch Hürden: die Sprache und das lange Anerkennungsverfahren für Fachkräfte. Doch eine Fremdsprache zu lernen, schreckt viele Inder nicht ab. Sie sind mit dem Sprachenlernen wegen des in Indien allgegenwärtigen Englisch von Kindheit auf vertraut. Bleibt noch das lange Anerkennungsverfahren. Mit bürokratischen Prozessen hat Baliyan Erfahrung und könnte deutschen Behörden vielleicht sogar beratend zur Seite stehen: Er hat in Großbritannien, wo er 15 Jahre lang lebte, dafür gesorgt, dass das Verfahren für die von ihm vermittelten Pflegefachkräfte nur noch zwei Wochen dauert. Ein Vorteil, der ausländischen Pflegekräften in England jetzt übrigens nicht mehr viel nützt: "Die neue Labour Regierung das Rekrutieren aus dem Ausland vorübergehend lahmgelegt. Derzeit geht es im Bereich der Pflege eigentlich nur noch vereinzelt bei privaten Krankenhäusern", sagt Baliyan.
Kirsten Gaede