"Die Pflege verlagert sich ins Wohnen"
Die Pflege bewegt sich immer mehr Richtung Seniorenwohnen, betreutes Wohnen und ambulant betreute Wohngemeinschaften, konstatiert das Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Curacon. Die Nachfrage nach klassischen Pflegeheimen dagegen stagniert oder geht sogar zurück. Pflegeanbieter und Immobilienentwickler geraten damit unter "Veränderungsdruck", meint Jan Grabow (Foto), Geschäftsführender Partner bei Curacon.

Curacon
Es gilt, die stationäre Pflege zu überdenken, denn es geht um die "wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Anbieter und Investoren", meint Jan Grabow
Der Pflegemarkt befinde sich im Umbruch, sagt Grabow. "Regional ist die Heimquote unter anderem in Nordrhein-Westfalen bereits unter zehn Prozent gesunken, in früheren Jahren lag sie dort noch über 30 Prozent." Den Trend belege auch die Pflegestatistik 2023: Die stationäre Pflege stagniert oder ist sogar rückläufig.
"Die Leistungsangebote, die Immobilienstrukturen, die Geschäftsmodelle, wie auch die gesamte Angebotsarchitektur und die Investitionsstrategien der Anbieter stehen unter Veränderungsdruck", so Grabow. Der Druck entstehe nicht nur dadurch, dass viele Senioren nicht mehr in ein klassisches Pflegeheim ziehen möchten: Es gehe auch um die "wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Anbieter und Investoren" und des zunehmenden politischen Drucks, die finanziellen und personellen volkswirtschaftlichen Ressourcen rationeller zu verwenden.
Für Immobilien sind flexible Nutzungskonzepte gefragt
So sprechen etwa der zunehmende Mangel an Pflegefachkräften und die ausufernden Kostensteigerungen dagegen, die stationäre Pflege auszubauen. Die Investitionskosten-Sätze bei Neubauprojekten betragen inzwischen mehr als 50 Euro. Bei Bestandsbauten wiederum werde für die Betreiber vor allem die mangelnde Energieeffizienz – und oft auch die Auslastung – zum Problem.
Für künftige Pflegeimmobilienprojekte bedeutet dies: Sie müssen mehr sein als funktionale Gebäude. Gefragt sind flexible Nutzungskonzepte, wie modulare Pflege-Cluster, betreutes Wohnen mit integrierten Versorgungsleistungen oder Quartiersansätze mit gemischten Zielgruppen.
"Ordnungsrecht in Heimgesetzen verschlanken"
Gut wäre außerdem, wenn der Gesetzgeber bei Bestandsbauten dafür sorgte, dass energetische Standards verbessert und refinanziert würden, meint Grabow. "Des Weiteren ist der Gesetzgeber gefordert, nachhaltige Rahmenbedingungen zu schaffen für den weiteren Ausbau der Pflegeinfrastruktur, starre Regulierungen zu vereinfachen, das Ordnungsrecht in den Landesheimgesetzen zu verschlanken und zu harmonisieren, um serielles und modulares Bauen zu ermöglichen."
Kirsten Gaede