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31. Oktober 2025 | 08:31 Uhr
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Nur jeder dritte Pflegemanager fühlt sich angemessen bezahlt

Die Gehälter von Führungskräften sind in der Altenpflege über die vergangenen zwei Jahre nur um fünf Prozent gestiegen (wir berichteten). Gleichzeitig gab es enorme Sprünge bei den Tarifgehältern für Fachkräfte – und auch bei der Inflationsrate. Auf diese beiden Entwicklungen sollten Führungskräfte bei der nächsten Gehaltsverhandlung unbedingt verweisen, raten Contec-Geschäftsführer Thomas Müller (Foto) und seine beiden Mit-Autoren der Vergütungsstudie 2025 im Interview.

Thomas Müller, Geschäftsführer der Contec, über Managergehälter: "Es ist möglich, dass sie bei vielen Führungskräften über mehrere Jahre nicht angepasst wurden."

Müller hat gemeinsam mit Gabriele Moos, Studiengangleiterin Gesundheits- und Sozialmanagement an der Hochschule Koblenz, und Michael Tamminga-Wessels von dem Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (Iegus) die Vergütungsstudie 2025 für das Management der Sozialwirtschaft veröffentlicht. Care vor9 hat mit den drei Autoren gesprochen.

Auffallend an Ihrer Studie ist die vergleichbar niedrige Gehaltssteigerung im Management von fünf Prozent über zwei Jahre, während sie in der Pflege generell deutlich höher lag. Wie erklären Sie sich die?      

Müller: Ja, es ist schon auffällig, dass die Vergütungssteigerungen im Top-Management hinter der allgemeinen Teuerungsrate, aber auch hinter den doch außergewöhnlichen Steigerungen der Tarifgehälter zurückgeblieben sind. Zum einen muss man sagen, dass die Verhandlungsgrundlage für frei verhandelte Gehälter in wirtschaftlich schlechten Zeiten immer ungünstig ist. Hinzukommt, dass die Gehälter in den Verträgen immer über mehrere Jahre abgeschlossen werden. Es ist möglich, dass sie bei vielen Führungskräften über mehrere Jahre nicht angepasst wurden oder Steigerungsraten vereinbart wurden, die im Rückblick deutlich unterhalb der gestiegenen Teuerungsrate liegen.

Wie können Geschäftsführer, Vorstände und Führungskräfte bei der nächsten Gehaltsverhandlung für eine Erhöhung argumentieren?

Tamminga-Wessels: In jedem Fall können sie die Teuerungsrate und die Steigerungen bei den Tarifgehältern in die Waagschale werfen. Ein Anhaltspunkt für die Höhe der Forderung ist, auf das Verhältnis von Gehalt zu Unternehmensgröße zu schauen, beziehungsweise auf den Bereich, für den man in einem Unternehmen verantwortlich ist.

Die obere Grenze von Vergütungen im Top-Management ist sogar gesetzlich geregelt. Es gibt ein Urteil vom Bundesfinanzhof von 2016 über die Vergleichbarkeit von Gehältern in der Sozialwirtschaft. Das besagt: Eine Unverhältnismäßigkeit der Vergütung gefährdet die Gemeinnützigkeit. Deshalb darf ein Gehalt nicht zu sehr von Gehältern vergleichbarer Unternehmen abweichen.

Für die Praxis bedeutet das: Das Gehalt sollte zwischen dem Median, also dem Wert an dem jeweils die Hälfte der Stichprobe mehr, bzw. weniger verdient, und dem sogenannten 75-Prozent-Quantil liegen. In absoluten Zahlen lässt es sich selbstverständlich nicht ausdrücken, weil es immer abhängig von den Größenklassen des Unternehmens ist: also der Zahl der Mitarbeiter und dem Umsatz. In unserer Vergütungsstudie finden sich deshalb für die verschiedenen Größenklassen jeweils die Bandbreiten angemessener Vergütung, in die sich jeder einordnen kann.

Was ist mit Entgeltumwandlungen oder geldwerten Vorteilen – lohnt es sich, die ins Spiel zu bringen?   

Müller: In jedem Fall. In der Studie, aber noch genauer in unseren personalisierten Gehaltsgutachten zum Beispiel schauen wir nicht nur auf das Basisgehalt, sondern auf alle Bestandteile. Da geht es dann um persönliche Präferenzen: Möchte ich lieber eine höhere Zuzahlung zur Altersvorsorge oder einen größeren Dienstwagen. Es lohnt sich immer, hier die verschiedenen Möglichkeiten durchzuspielen. Letztlich muss jedoch die Summe aller Gehaltsbestandteile – also die Gesamtvergütung – angemessen sein.

Wie sind die Gehälter in der Sozialbranche im Vergleich zu anderen Branchen?

Moos: Präzise Zahlen sind fürs Top-Management schwer zu erheben: Die Zahlen werden nicht vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht, man muss die Führungskräfte schon direkt fragen. Fest steht aber: In der Sozialwirtschaft sind die Gehälter im Vergleich zum Rest der Wirtschaft geringer. Es waren auch nur 35 Prozent der Befragten der Meinung, angemessen vergütet zu werden.

Dazu muss man sagen, dass die Sozialwirtschaft eine besondere Branche ist: Anders als zum Beispiel das produzierende Gewerbe ist sie nicht primär auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Allerdings geht die Arbeit oft mit dem Gefühl einher, etwas Gutes für die Allgemeinheit zu tun. Das zeigt sich auch in unserer Studie: 80 Prozent gaben an, zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz zu sein.

Reichen die Gehälter, um Führungskräfte zu finden, die fit genug sind, um die anstehenden Probleme zu bewältigen?

Moos: Man muss in jedem Fall Anreize setzen, um qualifizierte Führungskräfte zu finden. Die Frage, ob das Gehalt in der Sozialwirtschaft dafür reicht, ist schwer zu beantworten. Sicherlich ist das Wissen, Nützliches zur Gesellschaft beizutragen, ein hoher Wert. Trotzdem würde ich, wie gesagt, Führungskräften dazu raten, mit ihren jeweiligen Aufsichtsgremien in faire Verhandlung zu gehen.

Dafür wäre es übrigens wünschenswert, dass sich sowohl die Professionalisierung als auch die Vergütungsstruktur der Aufsichtsräte selbst weiter entwickeln. Das ist in anderen Wirtschaftszweigen, wo die Aufsichtsräte größtenteils aus der Branche stammen, längst üblich. Dass die Sozialwirtschaft schnell nachziehen sollte, geht ebenfalls aus unserer Studie hervor: Auf unsere Sonderfragen zu den Aufsichtsgremien haben die Teilnehmer den klaren Wunsch geäußert, dass hier noch Optimierungspotenzial ausgeschöpft wird.

Das Interview führte Kirsten Gaede

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