Sprachdokumentation spart täglich 20 Minuten pro Pflegekraft
Seit eineinhalb Jahren lässt die Diakonie Stiftung Salem in ihren sieben Pflegeheimen mit Spracherkennung dokumentieren. Das Fazit des Mindener Trägers: Im Schnitt spart jede Pflegekraft täglich 20 Minuten. Auch die Qualität der Dokumentation habe sich verbessert, sagt der Pflegedirektor des Hauses Laurentius in Porta Westfalica-Nammen.
Vor zwei Jahren noch gingen vor allem die Betreuungskräfte mit den Bewohnern spazieren. Doch seit einiger Zeit sieht der Pflegedirektor des Hauses Laurentius in Porta Westfalica-Nammen (95 Bewohner) immer häufiger auch Pflegekräfte draußen zusammen mit Bewohnern. Paul Dück erklärt sich das unter anderem mit der Spracherkennung, die die Stiftung unternehmensweit – auch in der Behindertenpflege – Anfang 2023 eingeführt hat.
Warum es mit Spracherkennung schneller geht
"Die Dokumentation ist jetzt losgelöst vom PC, jeder kann jederzeit an jedem Ort dokumentieren. Vorher stauten sich die Mitarbeiter gegen Schichtende meistens vor dem PC, man hat gewartet und gedrängelt", sagt Dück. "Hinzu kommt, dass nicht alle Pflegekräfte geübt sind im Tippen, vielleicht die Ein-Finger-Technik praktizieren und nicht gern schriftlich formulieren. Das alles macht die Dokumentation zeitraubend." Oft sei kurz vor Feierabend auch nicht vollständig dokumentiert worden.
System strukturiert Text mit Künstlicher Intelligenz
Die Pflegekräfte können mit Spracherkennung dokumentieren, noch während sie beim Bewohner sind. Damit erfüllen sie auch die wichtige Qualitätsanforderung, zeitnah zu dokumentieren. Sie brauchen sich auch um Aufbau und Darbietung ihres Berichts nicht den Kopf zerbrechen: Alle nötigen Angaben sprechen sie ins Smartphone – sortiert oder auch unsortiert, denn mittels Künstlicher Intelligenz strukturiert das System die Angaben und produziert sinnvolle Sätze. "Im Aufnahmegespräch etwa sortiert die Spracherkennung die Inhalte im Formular gleich an den richtigen Platz", erklärt Dück.
Eine gestochen klare Aussprache ist nicht nötig
"Es klingt vielleicht merkwürdig, aber es ist tatsächlich so: Die KI versteht, was ich sagen möchte", meint der Pflegedirektor. Das gelte nicht nur für den Inhalt: Die Pflegekraft könne Dialekt sprechen, einen Akzent haben, sehr schnell oder auch undeutlich sprechen – alles kein Problem. "Es hat sich sogar gezeigt: Je länger wir mit der Spracherkennung arbeiten, desto besser wird sie."
Warum die Spracherkennung den Überblick erleichtert
In der Praxis sieht es so aus, dass sich jede Pflegekraft, die zum Dienst kommt, ein Smartphone greift, mit dem sie in ihrer Schicht kontinuierlich per Spracherkennung dokumentiert. Auf der Oberfläche erhält sie außerdem zu jedem Bewohner – mittels Icons – die wichtigsten Informationen etwa zu den Themen Sturz, Mobilität, BTM-Medikation etc.
Pflegekräfte können sich die von ihnen betreuten Bewohner als Favoriten hinterlegen. "Das hat den Vorteil, dass ich spontan in jedem Bereich sofort einspringen könnte, weil ich alle Information, die ich brauche, direkt bei mir habe", sagt Dück. Mit wenigen Klicks lässt sich auch die Dokumentation der vorigen Schicht und der vergangenen Tage aufrufen. Überhaupt ist jegliche Information über das Smartphone aufrufbar, weshalb es in der Diakonie Stiftung Salem jetzt auch Überlegungen gibt, die PCs in den Wohnbereichen abzubauen.
Das Handy kann beim Dokumentieren in der Kitteltasche bleiben
Um zu dokumentieren, brauchen die Pflegekräfte noch nicht einmal das Smartphone aus der Kitteltasche zu holen: Sie können den Hand-free-Modus einstellen und sagen dann, wenn sie etwas dokumentieren möchten, einfach nur das Wort Dokumentieren. "So können sie zum Beispiel in der Nachtschicht noch im Gehen ganz nebenbei den gerade gemessenen Blutzucker- oder Blutdruckwert eines Bewohners eingeben", erklärt Dück. "Auch Notizen können sie sich auf diese Weise machen – die ganze alte Zettelwirtschaft wird damit überflüssig."
Dass die Pflegekräfte das Smartphone immer dabeihaben und in jeder Situation dokumentieren und auch fotografieren können, hat besonders die Wunddokumentation verbessert. Dück: "Den Wundverlauf lückenlos fotografisch zu dokumentieren, war früher eindeutig komplizierter."
Mit der Spracherkennung bei Bewerbern punkten
Inzwischen hat sich die Spracherkennung auch als Personalakquise-Instrument erwiesen, sagt der Pflegedirektor: “In den Vorstellungsgesprächen komme ich immer auf die Spracherkennung. Wenn ich den Bewerbern dann noch erzähle, dass sie bei uns den ganzen Tag mit Smartphone rumlaufen dürfen – oder besser: müssen – ist das ein echter Eisbrecher. Gerade bei den Jüngeren kommt das richtig gut an.“
Kirsten Gaede