Pilotprojekt schafft Zeitkontingente für ambulante Dienste
Spaziergang oder Haarewaschen? Diese Frage kann das ambulante Pflegeteam der Caritas mit ihren Kunden spontan selbst entscheiden. Dies gilt zumindest für den Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn, der dazu mit den Pflegekassen das Modellprojekt "Pflege ganz aktiv" aufgesetzt hat. Damit soll ein neues Arbeitsmodell in der ambulanten Pflege erprobt werden, das gleichzeitig vorteilhaft für Pflegebedürftige ist, Pflegekräfte entlasten und für mehr Attraktivität des Berufs sorgen soll.

iStock/Katarzyna Bialasiewicz
Ein Modellprojekt der Caritas gibt ambulanten Pflegekräften mehr Flexibilität bei ihrer Arbeit
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Das Projekt ist angelehnt an den in den Niederlanden vom Pflegeanbieter Buurtzorg schon länger praktizierten Ansatz. Die Kernidee dabei: Kunden des ambulanten Pflegedienstes buchen vorab keine feste Leistung, wie etwa das Anziehen von Kompressionsstrümpfen oder Waschen und Anziehen, sondern ein Zeitkontingent.
Wenn im Gespräch mit dem Pflegebedürftigen klar wird, dass die zur Verfügung stehenden 20 Minuten besser für ein Mobilitätstraining, zum Beispiel einen Spaziergang durch den Garten, genutzt werden sollten als für das Haarewaschen, wird die Zeit so eingesetzt. Die Pflegebedürftigen selbst oder Bezugspersonen erledigen dann die anderen Aufgaben. Im heutigen Abrechnungsmodell der ambulanten Pflege wäre diese Flexibilität nicht möglich, so die Caritas.
"Alle Seiten gewinnen mit dieser Flexibilität", sagt Stefanie Krones, Direktorin des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn. "Pflegebedürftige erleben sich als selbstwirksam und sie bekommen das Angebot, das sie tatsächlich in dem Moment brauchen." Im Ergebnis profitierten auch Angehörige. Für Pflegefachkräfte sei die Arbeitszufriedenheit viel höher. "Es muss nicht ein ‚Leistungskomplex‘ erfüllt werden, sie können aus dem gesamten Repertoire ihrer Fachlichkeit schöpfen und erleben die Wertschätzung ihrer Fähigkeiten", so Krones.
Die Attraktivität des Berufs betont auch Pflege-Expertin Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband. "Die Jobzufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen in den Sozialstationen ist durch die ‚Rennpflege‘ im Keller: Schnell rein, Strümpfe anziehen, wieder raus ins Auto - dafür sind sie alle nicht angetreten." Da müsse sich dringend etwas tun, denn die meisten der immer mehr werdenden Pflegebedürftigen würden weiterhin zu Hause betreut.