Große regionale Unterschiede bei der Pflegequalität
Zehn Indikatoren für die Qualität von Pflegeheimen hat das Wissenschaftliche Institut Wido der AOK für die insgesamt 401 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland ausgewertet. Die größte Auffälligkeit zeigt sich bei der Arzneimittelversorgung: In den ostdeutschen Bundesländern ist sie eindeutig besser als in den westdeutschen (Grafik). Zu den Indikatoren, die das Wido außerdem unter die Lupe genommen hat, zählen: Dekubitus, Sturz, Dehydrierung von Demenzkranken, Krankenhauseinweisungen.

Wido/AOK
Je dunkler die Farbe, desto mehr Heimbewohner gibt es, die dauerhaft Beruhigungs- und Schlafmittel erhalten
Der Wido-Qualitätsatlas basiert auf den Abrechnungsdaten der elf AOK-Pflege- und Krankenkassen in Deutschland. Zu diesen Daten gehören unter anderem neben Alter, Geschlecht und Pflegegrad auch (anonymisiert) die diagnostizierten Erkrankungen, Therapien, Krankenhausaufenthalte. Der erste Qualitätsatlas ist 2023 erschienen, jetzt wurden die Daten bis einschließlich März 2023 aktualisiert.
Es zeigt sich, dass es große Unterschiede zwischen den Regionen gibt – Beispiel "unzureichende Flüssigkeitszufuhr bei Demenz": Im Durchschnitt sind gut vier Prozent der Bewohner mit Demenz wegen Dehydrierung ins Krankenhaus gekommen. Weit darunter liegen der Kreis Celle mit einem Prozent und Berlin mit 2,2 Prozent, deutlich schlechter schneiden die Landkreise Wesermarsch im Norden Deutschlands mit 13,5 Prozent ab und Freyung-Grafenau in Ostbayern mit elf Prozent.
Viele Dekubitus-Fälle in Kaiserslautern und Bad Kreuznach
Doch ein generelles Muster lässt sich nicht immer ableiten: So haben Berlin und Celle bei der Dekubitus-Häufigkeit längst nicht so gut abgeschnitten. Im bundesweiten Durchschnitt waren 12,5 Prozent Heimbewohner betroffen, in Celle gut elf Prozent und in Berlin 15 Prozent. Traurige Rekorde liefern die Landkreise Kaiserslautern und Bad Kreuznach mit fast 19 Prozent.
Einen auffällig schlechten Durchschnittswert gibt es beim Indikator "Jährliche Augenuntersuchung für Bewohner mit Diabetes": Die Vorsorgeuntersuchung fehlt in fast 80 Prozent der Pflegeheime. Aber natürlich – schließlich handelt es sich um eine Durchschnittswert – gibt es in einzelnen Kreisen noch schlechtere Werte, etwa in Freyung-Grafenau mit gut 90 Prozent. In den Großstädten Hamburg (68%), Berlin (55%) und München (74%) sieht es etwas besser aus. Erklärbar, denn in Ballungsgebieten, gibt es eine höhere Facharztquote. Allerdings stehen auch die dünnbesiedelten Landkreise Mecklenburgische Seenplatte (74%) und Rostock (68%), zu dem nicht die Stadt Rostock zählt (74%), im Verhältnis auch noch gut da.
Verschreibung von Psychopharmaka variiert extrem
Was bereits beim ersten, 2023 erschienen Wido-Qualitätsatlas aufgefallen ist: Die ostdeutschen Bundesländer schneiden auffällig gut ab verglichen mit den westlichen Bundesländern bei den vier Arzneimittel-Indikatoren "Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenz", "Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln", "Kombination von neun oder mehr Wirkstoffen" und "Einsatz von für Ältere ungeeignete Medikation".
AOK-Chefin Carola Reimann fordert insbesondere die Einrichtungen in den Regionen mit auffälligen kritischen Ergebnissen auf, die Wido-Analysen zu nutzen und in der Region gemeinsam an Verbesserungen zu arbeiten – "etwa im Hinblick auf die regional stark variierende Praxis bei der Langzeitverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln".
Kirsten Gaede