Pflegebegutachtung am Telefon wird kein Standard
Die telefonische Pflegebegutachtung durch den Medizinischen Dienst kann starten. Sie wird jedoch nicht zum Standard bei Erstbegutachtungen, sondern soll vor allem bei Höherstufungen und Wiederholungen eingesetzt werden. Das geht aus den Empfehlungen von Wissenschaftlern hervor, die den Einsatz von Telefoninterviews zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Rahmen des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) untersucht haben.
Im PUEG war festgeschrieben, dass es vor der Einführung der Telefoninterviews weitere wissenschaftliche Studien geben solle. Die liegen nun vor. Das Projekt "Analyse des Einsatzes des Telefoninterviews zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI", durchgeführt vom Institut für Pflegewissenschaft der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück, gibt danach klare Empfehlungen ab:
- Erstbegutachtungen sollen in der Regel per Hausbesuch stattfinden.
- Bei Höherstufungen und Wiederholungsbegutachtungen bieten sich telefonische Begutachtungen an, vorbehaltlich bestimmter Konstellationen wie zum Beispiel bei alleinlebenden dementen Personen oder wenn der letzte Hausbesuch länger als 36 Monate zurückliegt.
- Bei Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen sowie mit Beeinträchtigungen bei der sprachlichen Verständigung wird eine telefonische Pflegebegutachtung nur in Betracht gezogen, wenn die Begleitung durch eine vertraute Bezugsperson gewährleistet ist.
- Bei der Bearbeitung von Widersprüchen und bei Begutachtungen von Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollte die telefonische Pflegebegutachtung nicht zum Einsatz kommen.
"Wir haben uns seit langem vehement für den Einsatz der telefonischen Pflegebegutachtung eingesetzt", sagt Claudia Wöhler, Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Diensts Bayern. Sie schlägt nun eine Ergänzung der Begutachtungsrichtlinie durch das Bundesgesundheitsministerium vor. "Während das PUEG die telefonischen Pflegebegutachtung auf die genannten Fall-Konstellationen reduziert, sollten besser auch die Gutachterinnen und Gutachter mit ihrer Erfahrung aus der Praxis die individuell für die Versicherten beste Begutachtungsform bestimmen dürfen."
Thomas Hartung