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11. November 2025 | 07:00 Uhr
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Warum Heimstiftung-Chef Schneider einen echten Cut macht

Bernhard Schneider scheint ein Urgestein, nicht wegzudenken aus der Altenhilfe. Nun geht er in den Ruhestand. Aber der 67-Jährige wird sich doch noch einmischen, diskutieren, Aktionen anstoßen? Nein, genau das hat er nicht vor nach 15 Jahren als Hauptgeschäftsführer der Ev. Heimstiftung, des größten Pflegeanbieters in Baden-Württemberg. Er wird die Dinge auf sich zukommen lassen, verrät Schneider im Interview mit Care vor9, vielleicht ehrenamtlich arbeiten, mit Gitarre und Beatle-Songs in der Tasche durch Pflegeheime ziehen... 

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Seine Sprecherfunktion in der Pro Pflegereform Initiative hat Bernhard Schneider schon abgegeben 

Keine Sekunde Smalltalk. Bernhard Schneider sieht sein Gegenüber und ist sofort bei der Politik: "Sie haben heute bei Care vor9 über die PKV berichtet, die den Sockel-Spitze-Tausch als Erbenschutzprogramm bezeichnet", sagt er. "Da muss ich mich positionieren, denn das Gerede vom Erbenschutz kann ich nun wirklich nicht mehr hören." 

Care vor9: Herr Schneider, Sie sind noch so richtig bei der Sache. Wie kann es sein, dass Sie die Sprecherfunktion in der Pro Pflegereform Initiative aufgeben. Wollen Sie sich gar nicht mehr in die Diskussion einbringen?

Bernhard Schneider: Es stimmt, ich liebe die Diskussionen, ich liebe das zugespitzte Wort. Meine Frau hat mich aber schonungslos gefragt, ob ich wirklich glaube, dass die Zwischenrufe von einem Rentner von der Seitenauslinie noch irgendjemanden interessieren werden. Und sie hat Recht: Für die Initiative braucht es jemanden, der mit beiden Füßen in der Praxis steht und an eine Organisation angedockt ist. Ich bin jetzt 67 und habe schon früh als Pflegehelfer meinen Beitrag geleistet, irgendwann muss auch gut sein. Ich nehme mich jetzt raus aus allem und schaue einfach mal, was passiert.

Wie kam es, dass sie als Pflegehelfer eingestiegen sind? Waren Sie Zivildienstleistender?

Ich habe 15 Monate Grundwehrdienst geleistet und bei der Musterung gebeten, zu den Sanitätern zu kommen. Dort habe ich den Sanitätslehrgang 2 absolviert, mit dem ich dem Pflegehelfer gleichgestellt war. Das ermöglichte mir später, die Wartezeit bis zu meinem Sozialpädagogik-Studium zu überbrücken und anschließend mein Studium mit Wochenend- und Nachtarbeit zu finanzieren. Als Pflegehelfer bin ich gut rumgekommen: Ich habe im Heilig-Geist-Haus in Fulda gearbeitet, im Sankt Vinzenz in Filderstadt und im Kreisaltenheim Freudental. Über den Weg bin ich dann später nach Studium und Ausbildung in eine Heimleiterfunktion gekommen.  

Die Arbeit als Pflegehelfer hat Ihnen so gut gefallen, dass Sie in der Branche bleiben wollten? 
Ja, mich haben die alten Menschen beeindruckt mit ihren Kriegs- und Fluchterfahrungen. Die haben das Schlimmste erlebt und doch so eine Weltoffenheit ausgestrahlt. Ihr Verständnis auch für die Jugend, ihre Fähigkeit zu verzeihen – das hat mich als junger Mensch fasziniert.

Ich sehe die Gesichter der Bewohner noch vor mir: Es war wirklich sehr eindrücklich, wie ich als Achtzehnjähriger von einem Achtundneunzigjährigen stehe, der mir seine Fluchtgeschichte erzählte und dem ich dann bei seiner Gebrechlichkeit im Alter beistehen konnte. Da sagte ich mir, das wäre doch etwas, wenn ich künftig einen Beitrag leisten könnte, dass es diesen Alten besser geht. Da wird man zum Teil einer großen Sache, das ist wie Klimaschützen oder Kinder erziehen.

Am Ende meines Berufslebens kann ich sagen, dass ich für diese großartige Chance dankbar bin. Gerade die letzten 15 Jahren waren die Erfüllung meines beruflichen Lebens. Anders kann ich das gar nicht ausdrücken.

Wie haben Sie es in den 15 Jahren als Hauptgeschäftsführer geschafft, die Heimstiftung wirtschaftlich so erfolgreich zu machen? Sie haben den Umsatz verdoppelt und viele Neuerungen angestoßen und umgesetzt. Das gelingt nicht jedem. Erlauben Sie mir die vielleicht etwas naive Frage: Wie haben Sie das angestellt? Sie wirken nicht, wie ein zahlengetriebener Mann, Sie haben Sozialpädagogik studiert. Aber Sie stellen etwas auf die Beine, das am Ende auch dem BWLer gefällt.

Bilanzen lesen kann man leicht lernen, mit Menschen zu kommunizieren, ist schwieriger. Und da sind wir, so glaube ich schon beim Kern. Es heißt oft: „Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.“ Und das stimmt. Wenn ich gestalten möchte, darf ich nicht auf Spenden, Zuschüsse oder Förderung angewiesen sein. Dann muss ich das Geld, mit dem ich nachher Gutes tun will, vorher verdienen, und zwar hart verdienen.

Mir ist schnell klar geworden, dass man gerade im sozialen, im gemeinnützigen Bereich wirtschaftlich und nachhaltig agieren muss, weil man Geld aus Beiträgen und Steuern ausgibt, für das viele Menschen hart gearbeitet haben. In der Hinsicht, so glaube ich, müssen sich die gemeinnützigen Träger, auch die Diakonie, ein bisschen ehrlicher machen.

Sie meinen, die konfessionellen Träger blenden ökonomische Aspekte zu sehr aus?   

Ja, das ist meine Erfahrung. Wenn man im kirchlichen und gemeinnützigen Sektor über Geld redet, heißt es schnell, es gehe nur um die Rendite. Aber es ist doch sonnenklar, dass auch bei einem gemeinnützigen Unternehmen am Ende des Jahres etwas übrigbleiben muss, das in den gemeinnützigen Zweck reinvestiert wird. Da unterscheiden wir uns von den privaten Ketten: unsere Rendite fließt nicht an einen Investor, sondern wird für neue Einrichtungen und Dienste eingesetzt. Für mich sind drei Ziele zentral: Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit. Deshalb wird bei uns auch jeden Monat das Ergebnis kommuniziert und runtergesteuert bis auf den Wohnbereich. Wie steht es um die Qualität, wie um die Personalkennzahlen und die Pflegekennzahlen?

Ohne finanziellen Spielraum kommen auch gemeinnütziges Unternehmen nicht zurecht. Ich bin deshalb heute noch froh, dass wir 2019 beim Bundessozialgericht in Kassel die Möglichkeit des Risikozuschlags durchgeboxt haben, der in Baden-Württemberg im Pflegesatz einkalkuliert werden kann.

Gibt es Dinge, von denen Sie sagen würden, die haben Sie falsch eingeschätzt? Beziehungsweise Entscheidungen, die Sie aus heutiger Sicht anders getroffen hätten?

Die Auswirkungen der Generalistik habe ich sicherlich anfangs unterschätzt. Wir haben die generalistische Pflegeausbildung in Baden-Württemberg nie gebraucht, denn wir hatten immer eine gut funktionierende Altenpflege- und Pflegehelferausbildung und auch hohe Ausbildungszahlen. Trotzdem dachte ich: So schlimm wird’s schon nicht kommen. Doch da habe ich mich getäuscht.  

Wie meinen Sie das? Was genau ist "verheerend" an der Generalistik?

Die Zugangsvoraussetzungen sind zu hoch, die Praxiseinsätze im Krankenhaus und der Pädiatrie unnötig und zu lang, die Prüfungsanforderungen sind häufig zu speziell so das Auszubildende aus der Altenpflege reihenweise scheitern, obwohl sie in der Altenpflegepraxis hervorragende Noten haben. Schließlich sind die Anforderungen an die Lehrkräfte so hoch, dass Altenpflegeschulen Kurse streichen und zu wenig Schulplätze anbieten. Auch die Anschlussfähigkeit der Assistenzausbildung ist schlecht, so dass wir Fachkräfte verlieren, die wir eigentlich dringend bräuchten. Es braucht Spezialisten, auch in der Pflege. Der generalistische Ansatz führt in die Sackgasse und gehört deshalb abgeschafft.

Es gibt diverse Management-Tipps. Gibt es einen, den Sie für zentral halten, und Ihren Kollegen aus der Branche – ob jung oder alt – mit auf den Weg geben würden?

Das Thema Führung ist absolut entscheidend für die Qualität und den wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb wäre mein Appell: Sorg dafür, dass in deinem Unternehmen gute Führung möglich ist.

Was sind Ihre persönlichen Pläne? Gibt es Bücher, die sie schon immer lesen wollten und jetzt endlich lesen können? Ländern, in die Sie schon immer reisen wollten? 

Da ich mich so viele Berufsjahre immer um andere beziehungsweise ums Unternehmen gekümmert habe, finde ich es schon schwer, mich jetzt auf mich selbst zu fokussieren. Sicherlich, ich lese gern, mache gern Musik und das werde ich auch ausgiebig tun. Aber meine ganze Energie nur ins Lesen und Reisen zu stecken, wird schon eine Herausforderung sein. Aber ich habe auch zwei Gärten, um die ich mich kümmern werde, und sechs Enkelkinder, mit denen ich mehr Zeit verbringe. Außerdem bin ich selbstverständlich offen für neue Ehrenämter. Aber einen konkreten Plan, eine konkrete Checkliste, die ich abarbeiten werde, habe ich nicht.

In welche Richtung könnte das Ehrenamt gehen?

Da bin ich offen, denkbar wäre natürlich die Altenhilfe: Ich könnte mit meiner Gitarre in Pflegeheime gehen und für mehr Beatles und Bob Dylan und weniger Heino sorgen. Aber ich bin auch offen für Jugendarbeit – schließlich bin ich von Haus aus Pädagoge. Vieles ist möglich, denn ich lebe in Stuttgart, eine Stadt mit viel Kultur und Freizeit, aber natürlich auch mit vielen Möglichkeiten sich ehrenamtlich einzubringen.

Das Interview führte Kirsten Gaede

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