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26. März 2024 | 07:00 Uhr
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Wie ein Bauantrag ein gesundes Heim in die Insolvenz treibt

Kopfschütteln, Verbitterung, Frust – die Geschichte eines kleinen Altenheims im ländlichen Titz-Gevelsdorf bei Aachen lässt einen angesichts des Pflegenotstands fassungslos zurück. Sabine Reinharts Vorhaben, einen Anbau mit neun Zimmern zu errichten, endet in der Insolvenz und Schließung ihres bis dahin gesunden Betriebs. Die Heimaufsicht bedauert das Ende und zeigt sich gegenüber Care vor9 überrascht. Es habe keine besonderen Auflagen gegeben.

Haus Rose Titz-Gevelsdorf Foto Sabine Reinhart.jpg

In diesem Zimmer im Haus Rose wohnt niemand mehr, denn das kleine Altenpflegeheim muss schließen

Im Jahr 2020 hatte Sabine Reinhart das Haus Rose im Landkreis Düren bei Aachen übernommen. 22 Mitarbeiter waren dort beschäftigt. Jetzt muss sie schließen. Gegenüber Care vor9 legt Reinhart die Kette an Ereignissen offen, die das eigentlich gut geführte Heim mit zufriedenen Bewohnern und Angestellten in den Ruin getrieben hat.

"Wir hatten einen Bauantrag zur Erfüllung der 80  Prozent Einzelzimmerquote zur geringfügigen Platzzahlerweiterung gestellt", erzählt Reinhart. Ein Anbau von neun Zimmern war geplant. Eine Regelprüfung unserer Einrichtung durch die Heimaufsicht WTG erfolgte im September 2023 mit positivem Ergebnis. "Wir erhielten die Zustimmung der WTG-Behörde, den Anbau so umzusetzen." 

Doch dann nahm das Unglück seinen Lauf. "Als alle Unterlagen inklusive Brandschutz fertig waren und eingereicht werden sollten, kam die Mitteilung, dass die geplanten Tandembäder doch nicht zulässig sind", berichtet die Heimleiterin. Alle Pläne samt Brandschutz mussten neu angefertigt werden, was mit erheblichen Kosten verbunden war.

Der nächste Einschlag sei dann mit einem Besuch des Gesundheitsamts erfolgt. "Alles, was bei einer Prüfung 2020 noch vollkommen in Ordnung war, konnte plötzlich nicht mehr so umgesetzt werden. Für den Anbau wurde Forderungen gestellt, die schwer und zum Teil gar nicht umsetzbar waren", sagt Reinhart.

Plötzlich wird der Bestandsschutz gestrichen

Statt Unterstützung seien auch aus dem Bürgermeisteramt zusätzliche Auflagen gekommen. "Von diesen Auflagen war Monate vorher, bei einem Gespräch mit dem Baubeauftragten der Landgemeinde Titz, noch keine Rede", versichert die Heimleiterin. "Die Behörde hat uns einfach den Bestandsschutz gestrichen."

Trotzdem habe man den Behörden einen geänderten Plan zur Verfügung gestellt. "Nach sechs Wochen kam dann die Antwort, er sei zu 'rudimentär' und wir sollen bitte einen neuen kompletten Bauplan einreichen." Die Kosten dafür wären wieder erheblich gewesen und eine Aussage, ob der neue Plan dann Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, habe es nicht gegeben, schildert Sabine Reinhardt resigniert. 

Gleichzeitig habe die Behörde angekündigt, binnen zwei Wochen einen eigenen Vorschlag durch eine Architektin erarbeiten zu lassen, der dann genehmigungsfähig sei. Der Vorschlag sei jedoch nicht gekommen. Stattdessen nach weiteren vier Wochen auf Nachfrage eine neue Aufstellung mit weiteren Auflagen.

Der letzte Behördengang ist der Weg zum Amtsgericht

Als letzter Ausweg blieb Reinhart schließlich nur noch die Insolvenz und ganz viel Verbitterung. "Wir wollten eine deutliche Verbesserung durch die Erfüllung der Einzelzimmerquote erzielen und viel Geld investieren. Wir wollten geringfügig um vier Plätze erweitern, um die 80 Prozent Einzelzimmerquote zu erfüllen. Aber anstatt uns zu unterstützen, weil Pflegeplätze dringend benötigt werden und gute Pflege nicht selbstverständlich ist, haben uns die Behörden so lange hingehalten bis wir, aus finanziellen Gründen, schließen mussten. Wo bleiben da der gesunde Menschenverstand und die Menschlichkeit?" 

Kreis Düren mit einer anderen Sicht der Dinge 

Alexander Gies, Leiter der Heimaufsicht des Kreis Düren, schildert den Ablauf der Ereignisse im einen Gespräch mit Care vor9 deutlich abweichend. So habe es zu keinem Zeitpunkt eine schriftliche Zusicherung der Behörde gegeben, dass die Tandembäder wie gewünscht umsetzbar seien, zumal diese schon seit 2018 laut WTG nicht mehr in dieser Form betrieben werden dürfen und die eingeräumte Übergangsfrist dafür in 2023 geendet habe. Und auch der Hinweis auf den Vorschlag einer Architektin sei wohl falsch verstanden worden. "Das Bauamt stellt und beauftragt keine Architekten für die Bauherren. Wir haben nur auf eine Architektin verwiesen, die sich für eine Beratung angeboten habe."

Weiter führt Gies aus: "Wir haben am 1. Februar 2024 eine Liste mit Rückfragen zu dem Bauantrag übermittelt, unter anderem Fragen zur Entwässerung der Anlage sowie Fragen zu dem benötigten Unrein-Raum. Das waren eigentlich Standardsachen. Daher waren wir überrascht, dass es darauf gar keine Antworten gab und wir dann über Bewohner erfahren mussten, dass das Heim schließen wird", so Gies, der in dem Gespräch auch deutlich macht, dass jeder verlorene Heimplatz einer zu viel sei.

Daher werde man den Fall zum Anlasse nehmen, die Beratungsqualität der Behörde und die Kommunikation zu verbessern. "Grundsätzlich waren die gestellten Anforderungen aber machbar und sind in ähnlicher Form auch von anderen ähnlich kleinen Heimen im Kreis Düren erfolgreich gemeistert worden", sagt Gies.

Pascal Brückmann

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