Wegsehen bei Pflegemissständen kann eine Straftat sein
Andrea Würtz, ehemalige Kinderkrankenpflegerin und Whistleblowerin, beleuchtet die rechtlichen Konsequenzen von pflegerischem Unterlassen. In einem Vortrag an Katholischen Hochschule NRW erinnert sie daran, dass Wegsehen bei Missständen und Gewalt in der Pflege schwerwiegende strafrechtliche Folgen haben kann. Pflegekräfte tragen eine Garantenstellung, die sie zum Handeln verpflichtet. Nichtstun kann strafrechtlich als Körperverletzung durch Unterlassen geahndet werden.
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Wer als Führungs- oder Pflegekraft bei Gewalt in der Pflege wegschaut, kann sich strafbar machen
Pflichtwidriges Unterlassen von Handlungen in der Pflege kann nicht nur ethische, sondern auch strafrechtliche Folgen haben. Pflegekräfte sind wegen ihrer Garantenstellung gesetzlich verpflichtet, Gesundheit und Wohl der Bewohner zu schützen. Tun sie dies nicht – etwa bei der Dekubitusprophylaxe oder der Medikamentengabe – kann dies als Körperverletzung durch Unterlassen gewertet werden. Das kann Freiheitsstrafen oder hohe Geldstrafen nach sich ziehen.
Schlechte Arbeitsbedingungen sind kein Argument
Würtz zeigte auf, dass das Wegsehen in vielen Fällen nicht nur auf individuelle Fehler zurückzuführen ist, sondern auch auf strukturelle Defizite innerhalb von Pflegeeinrichtungen. Häufiger würden schlechte Arbeitsbedingungen als Entschuldigung herangezogen. Doch diese Umstände haben für das Strafrecht keine Bedeutung. Die Verantwortung liege bei den Pflegekräften, Missstände frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, um das Leben der Bewohner zu schützen. Das Verhindern von Unterlassungen sei daher nicht nur eine ethische, sondern eine rechtliche Verpflichtung, heißt es in der Rechtsdepesche.