Tägliche News für das Management von Pflege und Wohnen im Alter

15. August 2023 | 07:00 Uhr
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Angst vor der Zukunft treibt Pflegedienste zum Verkauf

In der ambulanten Pflege herrscht Unruhe. Insolvenzen, Geschäftsschließungen und Verkäufe häufen sich. Pflegegruppen suchen nach Kaufgelegenheiten, Inhaber treibt die Sorge um die Zukunft zum Verkauf. Doch allzu oft liegen die Vorstellungen beider Seiten weit auseinander, sagt Stefan Wiesmann (Foto), der als Unternehmensberater Übernahmen in der Pflege begleitet.

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Stefan Wiesmann berät Käufer und Verkäufer bei der Übernahme von Pflegeeinrichtungen

"Der Verkäufermarkt der ambulanten Pflegedienste wandelt sich langsam zum Käufermarkt und die Stunde der Pflegegruppen ist gekommen", glaubt Wiesmann. Das macht er unter anderem an den Preisvorstellungen fest. "Die Pflegegruppen bieten oft magere 30 Prozent vom Jahresumsatz als Kaufpreis an und versuchen, die Situation auszunutzen", so der Gesundheitsökonom, der seit sieben Jahren Betriebe in der Pflege berät und die Website Pflegedienstkauf betreibt. 

"Die Inhaber der Pflegedienste haben Angst vor der Zukunft", sagt Wiesmann. Es gebe keine klare Linie in der Politik, niemand wisse, was auf die Pflege zukomme, welche Regeln womöglich im nächsten Jahr umgesetzt werden müssten. Diese Unsicherheit und die überbordende Bürokratie seien die Triebfeder für die Verkaufsambitionen von Pflegedienstinhabern. Dazu komme, dass ohnehin viele in dem Alter seien, sich mit einer Nachfolge auseinanderzusetzen.

Verkäufer haben unrealistische Preisvorstellungen

Die verkaufswilligen Unternehmer hätten aber oft unrealistische Vorstellungen, sagt Wiesmann, über den Verkaufsprozess, den Aufwand dafür und auch über den Preis. "Manche kommen zu mir und wollen binnen sechs Wochen verkaufen", sagt Wiesmann, "die schicke ich gleich wieder weg". Wer verkaufen wolle, müsse zunächst seine Hausaufgaben machen und betriebswirtschaftliche Daten der letzten Jahren zusammensuchen. Daraus werde dann ein aussagekräftiges Exposé erstellt.

Insbesondere beim Preis gebe es eine große Kluft zwischen Verkäufer und Kaufinteressenten. Wiesmann rechnet vor, was Pflegedienstinhaber verlangen könnten. Maßgeblich sei der durchschnittliche Jahresüberschuss der vergangenen drei Jahre, bereinigt um den kalkulatorischen Unternehmerlohn, den Wiesmann je nach Größe mit 80.000 bis 96.000 Euro pro Jahr ansetzt. Was übrigbleibt wird mit einem Faktor zwischen 3 und 4,5 multipliziert. Dazu komme dann noch die Geschäftsausstattung. Der so berechnete Unternehmenswert sei dann häufig niedriger als die Vorstellungen der Inhaber.

Personal stabilisieren für Käufer oberstes Gebot

Die Erwartungen mancher Kaufinteressenten seien aber ebenso unrealistisch. Zweistellige Renditeerwartungen, wie sie manchmal geäußert würden, könne man seit dem Tariftreuegesetz kaum noch erzielen. Acht Prozent komme der Wirklichkeit schon näher, so Wiesmann.

Nach einer Übernahme sei für den Käufer das wichtigste, sich um das Personal zu kümmern. Dies sei neben Versorgungsverträgen und Kunden das wichtigste Asset. "Der Kampf ums Personal ist gnadenlos", weiß Wiesmann. Insbesondere konfessionelle Einrichtungen würden Mitarbeiter sogar im Dienst ansprechen und aktiv abwerben. Wer hier nur auf Excel-Tabellen und Renditezahlen schaue, müsse sich nicht wundern, wenn die tragenden Mitarbeiter das Weite suchten. Dann könne die Übernahme für den Käufer schnell zum Investitionsgrab werden.

Thomas Hartung

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