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14. Mai 2024 | 22:35 Uhr
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Branche diskutiert Für und Wider eines Gesellschaftsjahrs

Die CDU hat die Forderung nach einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr in der vergangenen Woche in ihr neues Grundsatzprogramm aufgenommen und auch die SPD steht den Überlegungen rund um die Wiedereinführung einer Wehrpflicht nicht abgeneigt gegenüber. Somit erscheint die Zweidrittelmehrheit für die notwendige Grundgesetzänderung nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. Doch was denkt die Pflegebranche über die neue Form des Zivildienstes? Care vor9 hat sich bei verschiedenen Akteuren umgehört.

Gesellschaftsjahr, junge Menschen helfen in der Pflege Zivildienst

Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr würde viele junge Menschen mit dem Pflegeberuf in Berührung bringen

Geht es nach den Plänen der CDU, könnten in Zukunft junge Menschen nach der Schule für ein Jahr des gesellschaftlichen Dienstes verpflichtet werden. Dieses könnte in verschiedenen Bereichen wie der Pflege, dem Katastrophenschutz oder der Bildung abgeleistet werden. In der Pflegebranche, wo der Fachkräftemangel schon seit Jahren spürbar ist, wird dieser Vorschlag schon jetzt kontrovers diskutiert.

Maria Loheide von der Diakonie Deutschland hält nichts von dem verpflichtenden Gesellschaftsjahr. Sie erklärt: "Die Diakonie Deutschland hat sich seit langem gegen ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr positioniert." Ihrer Ansicht nach zeige das bestehende Interesse vieler junger Menschen an Freiwilligendiensten, dass keine Notwendigkeit für eine Pflicht bestehe. "Statt über ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr mit enormen politischen, verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Hürden zu diskutieren, ist ein Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst mit begleitender intensiver Informations- und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, um junge Menschen für die wichtige soziale Arbeit, auch in der Pflege zu begeistern", so Loheide. 

Kaspar Pfister, Geschäftsführender Gesellschafter der Benevit Gruppe, erinnert dagegen an die positive Rolle, die der ehemalige Zivildienst in Deutschland spielte. Pfister berichtet, wie dieser Dienst es ermöglichte, junge Männer für Pflegeberufe zu gewinnen, eine Möglichkeit, die mit der Abschaffung des Zivildienstes verloren gegangen sei. Pfister sieht in einem neuen Gesellschaftsjahr eine Chance, die öffentliche Wahrnehmung der Altenpflege zu verbessern und mehr junge Menschen für diesen Bereich zu begeistern. "Ich befürworte eine solche Möglichkeit und es wäre für die Pflege eine große Chance zu zeigen, was in diesem Berufsfeld alles möglich ist."

Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin der Caritas, teilt dagegen eine ähnliche Sichtweise wie die Diakonie und spricht sich gegen das verpflichtende Gesellschaftsjahr aus. Sie hebt stattdessen die Erfolge der bestehenden Freiwilligendienste hervor und betont deren Bedeutung für die soziale Berufsorientierung junger Menschen. "Die Freiwilligendienste führen erfolgreich junge Menschen an die Berufswirklichkeit der sozialen Berufe heran", so Welskop-Deffaa gegenüber Care vor9. Für die Zukunft regt sie an: "Wir müssen in eine Kultur und Praxis selbstverständlicher Freiwilligkeit investieren. Das kann so aussehen, dass alle jungen Menschen zum 16. oder 17. Geburtstag einen Dienstgutschein erhalten, der ihnen ein freiwilliges Jahr schenkt. Nach einer Beratung hätten sie dann die Pflicht und Chance, sich für oder gegen ein Freiwilliges Jahr in einem zivilen Freiwilligendienst, der Bundeswehr oder dem Katastrophenschutz zu entscheiden."

Demgegenüber steht Helmuth Wallrafen, Geschäftsführer der Sozial Holding aus Mönchengladbach, der die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres grundsätzlich befürwortet. Wallrafen glaubt, dass ein solches Jahr die Entwicklung junger Menschen in einer digitalisierten Welt fördern und zu einem tieferen Verständnis und Engagement in sozialen Berufen beitragen würde. Wallrafen macht aber auch deutlich, dass ein Gesellschaftsjahr nicht ohne ein klares Regelwerk auskommen dürfte: "Sozialpädagogische Begleitung muss durch die Träger bei ausschließlich 'zusätzlicher Tätigkeit der jungen Menschen' auf jeden Fall sichergestellt werden. Die 'Phantasien' von Profit orientierten Trägern, billige Arbeitskräfte zu bekommen, müssen von Anfang an unterbunden werden."

Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, erkennt ebenfalls den Vorteil eines Gesellschaftsjahres. "Wenn wir in den letzten Krisen etwas gelernt haben, dann wie wichtig der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist. Der kann durch eine wie auch immer geregelte Pflicht- oder Gesellschaftszeit im sozialen, kulturellen, ökologischen Bereich nur gefördert werden." Und für die Pflege selbst sieht er ebenfalls gute Argumente, die für die Einführung eines Gesellschaftsjahres sprechen: "Für die Pflege und die sozialen Berufe insgesamt könnte die Gesellschaftszeit auch dazu beitragen, dass mehr junge Menschen dort ihre berufliche Zukunft sehen. Das ist natürlich nicht das primäre Ziel, aber wenn sich im Anschluss einige für einen Verbleib im sozialen Bereich entscheiden, ist das eine positive Nebenwirkung."

Pascal Brückmann

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