Expertenrat zur Pflegeversicherung ohne neue Ideen
Die Untätigkeit der Bundesregierung bei der Pflegeversicherung löst Kritik aus allen Bereichen aus. Mit dem jetzt bekannt gewordenen Bericht eines Expertenrats habe man nur auf Zeit gespielt, so VdK-Präsidentin Verena Bentele. Darin seien keine neuen Ansätze erkennbar, monieren auch die Kassen. "Bund und Länder müssen sich endlich zusammenreißen in der Pflegepolitik" und sich auf ein tragfähiges Versorgungskonzept verständigen, macht AGVP-Präsident Thomas Greiner seinem Ärger Luft.
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"Pflegebedürftige und ihre Angehörigen suchen händeringend einen Platz im Pflegeheim oder einen ambulanten Pflegedienst, der sie versorgen kann", schildert der Chef des Arbeitgeberverbands Pflege die Lage. "In einigen Regionen kommen schon jetzt 10 bis 15 akut Pflegebedürftige auf einen freien Heimplatz." Anstatt weiter über die Finanzierung zu streiten, müssten sich "die Bundes- und Landesregierungen gemeinsam mit der Pflegebranche auf ein tragfähiges Versorgungskonzept verständigen und die Versorgungskrise in der Altenpflege lösen."
"Der Bericht des Expertenrats bietet nichts grundsätzlich Neues und erteilt ergänzenden und freiwilligen Reformvorschlägen eine Absage", so VdK-Präsidentin Bentele. "Mit dem Expertenrat wurde aus unserer Sicht auf Zeit gespielt", sagt sie und fordert eine Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. "Alle Einkunftsarten müssen in die Beitragsrechnung einbezogen werden."
Die von den Experten vorgetragenen Modelle sind wenig überraschend. Der Tagesspiegel hatte sie in seinem Newsletter Background Gesundheit & E-Health skizziert:
- das bestehende Teilleistungssystem mit Finanzierung durch Beiträge, Steuerzahler und privaten Eigenleistungen; ergänzend kann freiwillig privat vorgesorgt werden;
- eine Weiterentwicklung des Teilleistungssystems mit einer Begrenzung der Eigenleistungen durch eine verpflichtende, ergänzende individuelle Vorsorge;
- eine umlagefinanzierte Vollversicherung über Umlagefinanzierung durch Beiträge und Steuermittel;
- schließlich eine Vollversicherung, die allein mit einem Umlageverfahren finanziert wird.
Was die Politik daraus macht, ist unklar. Sicher ist, es wird teuer. "Demografiebedingt und abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird im Teilleistungssystem mit werterhaltender Dynamisierung für pflegebedürftige Menschen langfristig eine Finanzierungslücke von 0,5 bis 2,6 Beitragssatzpunkten, im Mittel von 1,4 Beitragssatzpunkten, entstehen", zitiert der Tagesspiegel aus dem Papier. Der mittlere Wert entspreche in heutigen Preisen rund 24 Milliarden Euro. Eine Pflegevollversicherung im Umlageverfahren könnte im Jahr 2060 bis zu 250 Milliarden Euro kosten, hat das IGES-Institut ausgerechnet.
"Es ist höchste Zeit, dass die Politik von der Problemanalyse ins Handeln kommt", sagt die Vorstandschefin der AOK Carola Reimann. "Der Bericht der Bundesregierung darf auf keinen Fall folgenlos wieder in der Schublade verschwinden." Ziel müsse es sein, zügig Reformen anzustoßen, so dass "es nicht zu einem Funktionsverlust der sozialen Pflegeversicherung kommt". Was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinem Bericht vorlegt, "ist einfach zu wenig", so die Betriebskrankenkassen. "Wir brauchen keine Bestandsaufnahme der Sanierungsmöglichkeiten mehr." Gefragt sei jetzt ein konkreter Plan und dessen zügige Umsetzung. "Hierfür brauchen wir jetzt den politischen Willen, in der Pflege umfassend etwas zu verändern."
Thomas Hartung