Mehr Geld, aber nicht mehr Personal durch Tariftreue
Das "Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz" (GVWG), das 2022 eingeführt wurde, hat die Gehälter in der Altenpflege kräftig steigen lassen, vielerorts um mehr als 15 Prozent. Trotz dieser finanziellen Aufwertung blieb die Zahl der Beschäftigten nahezu konstant. Ein echter Personalzuwachs fand nicht statt, wie eine aktuelle Auswertung des Ifo Instituts zeigt. Relativ zum wachsenden Bedarf durch die alternde Bevölkerung wird die Personaldecke sogar dünner.
Jens Schünemann
Das Gehalt in der Altenpflege ist attraktiv. Trotzdem lockt es nicht so viele Interessierte, wie erhofft
Das GVWG führte 2022 erstmals eine umfassende Tarifbindungspflicht in der Langzeitpflege ein. Pflegeeinrichtungen müssen seither entweder nach Tarif zahlen oder mindestens die vom GKV-Spitzenverband ermittelten regional üblichen Lohnniveaus tarifgebundener Einrichtungen einhalten.
Die Bruttolöhne unter Fachkräften in der Altenpflege stiegen laut Ifo Institut allein durch die Reform zwischen 2021 und 2023 um 15,4 Prozent. Der Medianlohn erhöhte sich von 3.243 Euro auf 3.894 Euro, während Krankenpfleger nur einen Zuwachs von 4,4 Prozent verzeichneten. Die Gehaltslücke zwischen beiden Berufsgruppen verringerte sich damit um rund zwei Drittel auf etwa 6,7 Prozent.
Besonders stark profitierten Pflegehelfer in dieser Zeit mit Lohnsteigerungen von über 20 Prozent. "Die Tarifbindung führte zu einem deutlichen Lohnanstieg. Kurzfristig konnten dadurch aber keine zusätzlichen Fachkräfte mobilisiert werden", sagt Roman Klimke, Ökonom am Ludwig Erhard Ifo Zentrum.
Die Fluktuation in den Betrieben hat deutlich zugenommen
Die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten blieb allerdings nahezu unverändert, während Teilzeitstellen um 2,3 Prozent zurückgingen. Relativ zum Bedarf verschlechterte sich die Situation sogar: Die Zahl der Vollzeitkräfte pro 1.000 Personen über 85 Jahren sank von 44,6 auf 42,7. "Im Verhältnis zum Bedarf ist die Personaldecke an Pflegekräften dünner geworden", sagt Gesundheitsökonomin Iris Kesternich von der Universität Hamburg.
Zudem nahm die Fluktuation deutlich zu: Der Anteil der Fachaltenpfleger, die den Sektor verlassen, stieg von 15,3 auf 20,6 Prozent. Die Pflegekosten stiegen ebenfalls stark: Die realen Gesamtkosten eines stationären Pflegeheimplatzes erhöhten sich seit 2017 von rund 3.617 Euro auf knapp 4.375 Euro im Jahr 2025.
Das Ifo Institut zieht ein gemischtes Fazit des Gesetzes: Die Reform habe die Bezahlung spürbar angehoben, aber keine zusätzlichen Pflegekräfte mobilisiert. Langfristige Tragfähigkeit entstehe nur über strukturelle Reformen wie Bürokratieabbau und mehr Ausbildungskapazitäten.
Pascal Brückmann