Report Mainz bringt Aufreger über "Pflege-Triage"
170 Pflegeheime hat ein Hamburger Krankenhaus angefragt, um einen pflegebedürftigen Patienten nach seiner Behandlung aufzunehmen – und ebenso viele Absagen bekommen. Drei Monate schon belegt er in der Klinik unnötig ein Bett. Kein Einzelfall, schildert die Redaktion des ARD-Politmagazins Report Mainz. Pflegeheime haben die Wahl und entscheiden sich meist für unkomplizierte Bewerber, die schwierigen bleiben auf der Strecke. Das Wort von der Pflege-Triage macht die Runde.
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Auf der "Längerliegerliste" der Hamburger Klinik stehen 30 Patienten. Sie liegen schon mehr als zehn Tage länger auf der Station als notwendig. Diese Liste gibt es nicht nur in der Hansestadt. Von 330 Kliniken, die auf eine Anfrage von Report Mainz geantwortet haben, stehen die 88 Prozent vor demselben Problem. Patienten können nicht entlassen werden, weil kein Pflegeheim sie aufnimmt.
Pflegeheime picken sich die einfache Fälle raus
Dabei stehen in vielen Pflegeheimen Betten leer. Nicht mit Absicht, sondern weil Personal fehlt, schildert Margarete Vehrs die Situation. Die Residenzdirektorin von Pro Seniore Cochem spricht in dem Beitrag offen die Kriterien aus, nach denen sie unter elf Bewerbern für einen freien Pflegeplatz auswählt. Möglichst nur Pflegegrad 2, um die ohnehin gestressten Mitarbeiter nicht weiter zu überfordern. Schwierige Anwerber und solche mit Pflegegrad 4 haben bei ihr keine Chance.
Auch dies kein Einzelfall, so Report Mainz, sondern gängige Praxis. "Wir sprechen von Pflege-Triage, weil einfach die Dienste und Einrichtungen auswählen", sagt Pflegeberaterin Monika Kunisch, die mit Kolleginnen einen Hilferuf an die Politik verfasst hat. Auch die Altersforscherin Tanja Segmüller spricht von Pflege-Triage, weil: "Menschen, die den geringsten Pflegebedarf haben, die größte Chance haben, in einem Heim einen Platz zu bekommen." Diejenigen, die am dringendsten Pflege benötigen würden, blieben auf der Strecke.
"Längerlieger" blockieren Notaufnahme im Krankenhaus
In den Krankenhäusern führen die Längerlieger zu großen Problemen. Die Kliniken sind verpflichtet, eine bestimmte Zahl ihrer Betten für Notfälle freizuhalten. "Und wenn sie dann bis zu zehn Prozent ihrer Betten nicht frei bekommen können, weil die Patienten nicht wegvermittelt werden können, dann haben wir da ein Riesenproblem", sagt Matthias Gerwien vom Agaplesion Bethesda Krankenhaus in Hamburg. Dann müsse die Notaufnahme vorübergehen geschlossen werden, und "das kommt schon monatlich vor".
Zeit für eine konzertierte Aktion
"Das ganze System wird immer schwächer", sagt Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA). Statt politische Erklärungen abzugeben, sei jetzt die Zeit, dass man "in einer konzertierten Aktion "Ursachen ermittelt und in Form einer Schnellhilfe eingreift, bevor das Schiff absäuft".
Kritik kommt auch vom BIVA-Pflegeschutzbund. Kempchen plädiert stattdessen für mehr öffentliche Verantwortung bei der Gesundheitsversorgung. "Wir können es nicht dem Pflegemarkt überlassen, wer wie weiter versorgt wird", sagt Ulrike Kempchen, Leiterin der Rechtsabteilung. "Hier muss die öffentliche Hand steuernd eingreifen. Die Länder haben dazu einen gesetzlichen Auftrag, den sie nur unzureichend wahrnehmen."
Den acht Minuten langen Beitrag von Report Mainz zur Pflege-Triage kann man sich in der ARD-Mediathek anschauen.