Viele Pflegedienste nutzen ihr digitales Potenzial nicht
Schon seit 1. April dürfen Pflegedienste nicht nur Rechnungen, sondern auch die Pflege-Leistungsnachweise vollelektronisch bei den Pflegekassen einreichen. Voraussetzung ist, dass sie an die TI inklusive KIM angebunden sind. Doch viele, die es könnten, nutzen diese Möglichkeit noch nicht. Obwohl das pro Rechnungslauf rund fünf bis sechs Stunden Arbeitszeit einsparen und das Zahlungsziel verkürzen würde, sagt Claudio Winkler (Foto) von Medifox Dan (MD).
Medifox Dan
200 bis 300 MD-Kunden, so Claudio Winkler, könnten Leistungsnachweise vollelektronisch einreichen, aber nur knapp ein Dutzend nutzt die Möglichkeit
Bisher konnten ambulante Pflegedienste zwar schon die Rechnungen elektronisch verschicken – aber die Unterlagen mit der Begründung der Abrechnung mussten sie ausdrucken. Der Prozess war sehr umständlich: Die Unterlagen mussten vom Patienten, Angehörigen oder Betreuer unterschrieben werden und am Ende auch noch von der Pflegedienstleitung. Selbst wenn der Pflegeanbieter sie samt elektronischer Unterschrift digital vorliegen hatte: Er musste sie ausdrucken und auf dem Postweg zu den jeweiligen Kassen schicken.
Jetzt lässt sich das Papierverfahren durch den digitalen Leistungsnachweis ersetzen. Fast alle Kassen sind in der Lage, die via KIM vollelektronisch übermittelten Daten zu verarbeiten. Und fragt man Winkler, dann haben auch 200 bis 300 Kunden des Softwareanbieters MD alle Voraussetzungen, um die Leistungsnachweise vollelektronisch bei den Kassen einzureichen. Aber: Nur knapp ein Dutzend von diesen Pflegeunternehmen machen davon Gebrauch.
Mit den digitalisierten Nachweisen hat die TI jetzt endlich einen Nutzen, sagt ein MD-Kunde
"Das ist erstaunlich, denn wir haben eigentlich mit einem richtigen Run auf Funktion gerechnet", sagt der Senior-Produktmanager und Regulationsexperte. "Ein Kunde von uns, der vor 20 Jahren von der IT-Branche ins Pflege-Business gewechselt ist, meint immer: Endlich haben die TI und KIM für die Altenpflege eine Daseinsberechtigung. Wie Recht er hat: Für die Pflegeanbieter ergibt sich mit der Digitalisierung der Leitungsnachweise doch jetzt endlich einmal ein echter Nutzen nach dem ganzen Aufwand, den sie für den Anschluss an die TI betreiben mussten."
Warum trotzdem noch so wenige Gebrauch davon machen – da kann Winkler nur spekulieren. Manchen – das hört er gelegentlich auf Messen – fehlt noch der Konnektor. Andere haben noch keine mobile Datenerfassung eingerichtet und können deshalb keine elektronischen Unterschriften einholen. Einige wenige übermitteln die Leistungsnachweise auch nicht selbst, sondern lassen das durch ein Factoring-Unternehmen erledigen. "Und manche Kunden mögen denken: Never Touch a Running System - wenn es mit dem DTA, also dem Datenträgeraustausch, seit Jahren gut funktioniert, kann doch alles beim Alten bleiben", so Winkler.
Der Verband für digitale Standards in der Pflege (VdSP) soll helfen, die Kunden zu überzeugen
Doch letztlich kann der Experte für Abrechnungen nicht verstehen, warum die Pflegeanbieter nicht zügig auf den Zug aufspringen. Es ließe sich eine Menge Arbeitszeit einsparen. Der Kunde, der einst ITler war, spricht von fünf bis sechs Stunden pro Rechnungsdurchlauf. Den hat er früher häufig schon mit Handschuhen absolviert, weil seine Hände vom Sortieren schon wund wurden. "Hinzu kommt: Man hat viel bessere Aussichten auf kürzere Zahlungsziele bei den Kassen, wenn man ihnen die Daten auf dem Silbertablett präsentiert", sagt Winkler.
Dass trotz der Vorteile so wenige Pflegeanbieter die Möglichkeit der vollständig elektronischen Abrechnung von SGB-XI-Leistungen nutzen, überrascht hingegen MD-Geschäftsführer Joachim Kiefer nicht: "Es ist leider keine Seltenheit, dass der bestehende Weg zur Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen in eine Sackgasse führt. Und trotzdem stellte man in der Vergangenheit schnell fest, dass eine neue Streckenführung in diesem Bereich von Widerständen geprägt ist." Deshalb gehe es jetzt darum, Wege zu finden, die Kunden mitzunehmen und dafür mit anderen Softwarehäusern und Abrechnungsdienstleistern gemeinsam "frische Ideen" zu entwickeln. Auch dafür hat MD kürzlich zusammen mit anderen auf die Pflegebranche spezialisierten IT-Unternehmen den Verband für digitale Standards in der Pflege (VdSP) gegründet.
Kirsten Gaede