Wie sich ein Pflegeheimbetreiber auf den Streik vorbereitet
Zu den Pflegeheimen, die in diesen Tagen von Verdi bestreikt werden, gehören die Städtischen Alten- und Pflegezentren in Hannover. Der Betriebsleiter der sieben Einrichtungen, Sascha Sattler, erzählt im Interview mit Care vor9, wie sich der Träger vorbereitet, und was der Streik für die Beschäftigten bedeutet, die vor Ort in den Wohnbereichen bleiben.

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Care vo9: In Krankenhäusern sind Streiks keine Seltenheit, aber in Altenpflegeeinrichtungen, selbst in kommunalen, kommt es kaum vor, dass die Arbeit niedergelegt wird. Warum sind bei Ihnen doch relativ viele Mitarbeiter dabei?
Sascha Sattler: Bei uns wurde schon häufiger gestreikt. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen, die bei Verdi organisiert sind. Das hängt mit der Verdi-Landesgruppe zusammen, die in Hannover sehr aktiv ist.
Wissen Sie, wie viele Mitarbeiter streiken oder wie groß der Anteil der Streikenden ist?
Nein, das möchte ich als Betriebsleiter auch gar nicht im Detail wissen, ich lasse mir dazu weder Zahlen noch Namen geben. Das Streiken hängt letztlich mit der Gewerkschaftsmitgliedschaft zusammen und die ist Privatsache, sie hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren. Allerdings melden in unseren sieben Einrichtungen die Leitungen die Streikenden an die Personalabteilung – das muss sein, weil die Mitarbeiter für den Tag, an dem sie streiken, keine Vergütung erhalten.
Wie bereiten Sie sich auf den Streik vor?
Es gibt eine Notdienstvereinbarung zwischen uns und Verdi. Wir vereinbaren vorab eine Mindestpersonalzahl in allen Bereichen, in denen eine komplette Abwesenheit von Mitarbeitern zum Versorgungsproblem in einer Pflegeeinrichtung führen würde. Wird die unterschritten, rufen wir die Streikleitung an. Die organisiert eine Telko mit zwei Leuten von Verdi sowie mit mir und meinem Stellvertreter. Wir entscheiden dann zu viert, welcher unserer Mitarbeitenden vom Streik zurück in die Einrichtung gehen muss.
Ist der Streik eine große Belastung?
Es ist nicht immer ganz einfach und am stärksten leiden unsere Bewohner darunter. Klar kann man sagen, dass diejenigen, die streiken, das auch für die machen, die am Arbeitsplatz bleiben. Aber für die Beschäftigten, die am Streiktag vor Ort sind, ist die Situation nun einmal schlimmer als an normalen Tagen. Sie bekommen den Unmut der Bewohner ab, die oft nur noch wenige Konstanten im Leben haben, wie zum Beispiel: die Betreuung, das Essen, die Versorgung durch die Pflegekräfte. Und die Betreuungsangebote sind wirklich das Erste, was an einem Streiktag wegfällt. Es gibt auch immer wieder Bewohner, die die Situation politisch betrachten und den Streik unterstützen, aber sie sind definitiv in der Minderheit.
Die Betreuungskräfte sind bei Ihnen so gut organisiert?
Ja, auch wenn ich, wie gesagt, über Mitgliedschaften bei Verdi keine Infos habe, sehe ich doch bei den Personalratswahlen, dass sich Mitarbeitende aus allen Bereichen im Betrieb bei Personalratswahlen für die Personalvertretung aufstellen lassen.
Welche Verdi-Forderung ist nach Ihrer Beobachtung für die Mitarbeiter wirklich wichtig?
Aus dem Bauch heraus würde ich vermuten, dass die Gehaltssteigerungen am wichtigsten sind, da die Lebenshaltungskosten doch stark angestiegen sind. Zusätzliche freie Tage stehen für sie nicht so im Zentrum, würde ich sagen.
Glauben Sie, dass es auch an Anerkennung fehlt, wie viele in der Branche?
Das Problem mit der Altenpflege ist, dass sie in der Bevölkerung eine schlechte Lobby hat. Sie wird noch immer deutlich geringer geschätzt als die Krankenpflege. Obgleich unsere Fachkräfte mehr Verantwortung tragen als die Kollegen im Krankenhaus, wo immer Ärzte präsent sind.
Woran liegt es Ihrer Meinung, dass die Altenpflege einen so schlechten Stand hat?
Dass man selbst pflegebedürftig werden könnte, ist eigentlich immer das Letzte, an das man denkt. Viele Menschen wollen sich nicht mit ihrer Vergänglichkeit auseinandersetzen. Das ist kein attraktives Thema und somit auch alles, was damit zusammenhängt, nicht. Hinzu kommt, dass die Bewohner und ihre Angehörigen oft gar nicht nachvollziehen können, warum sie so viel für einen Heimplatz zahlen müssen. Sie entwickeln dann häufig Erwartungen, die nicht erfüllt werden können – wenn sie die Einrichtung zum Beispiel mit einem Hotel vergleichen. Müssen sie dann noch Sozialhilfe beantragen, macht das alles noch schlimmer.
Kirsten Gaede