Die Pflege gibt sich auf der Pro Care einig und kämpferisch
Die Premiere der Pro-Care-Messe (Foto) kommt zur rechten Zeit: Die Branche, die unter dem Fachkräftemangel und der fehlenden Aufmerksamkeit seitens der Politik leidet, zeigt sich hier kurz vor der Bundestagswahl kämpferisch, kritisch und gleichzeitig heiter wie lange nicht. Trotz Schneefall und Streik im öffentlichen Nahverkehr erwartet die Messe rund 5.000 Besucher in der Halle 7 der Messe Hannover.

Kirsten Gaede
Das rote Band ist zerschnitten, die Pro-Care-Messe offiziell eingeweiht, mit dabei: Projektleiterin Heike Grosch (4. v. rechts)
Pro-Care-Projektleiterin Heike Grosch und ihre Mitarbeiterinnen verteilen rote, gelbe und orangefarbene Plastikrohre kurz vor der Auftaktveranstaltung an die Zuschauer, die in den Stuhlreihen sitzen und sich drumherum scharen. Humorlos, staatstragend, nein das kann man der Pro Care nicht vorwerfen: Es gibt um 10 Uhr zunächst ein interaktives Konzert, dirigiert von zwei weiß gekleideten Trommlern, die schnell hintereinander die Zuschauer, je nach Farbe, dazu aufrufen die Rohre gegen ihre freie Hand zu schlagen. So entsteht tatsächlich innerhalb von Minuten ein einträchtiges Konzert, vor dem sich auch die Herren in den Anzügen nicht drücken.
So heiter auch der Einstieg: Dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wegen Krankheit sein Video-Grußwort absagt, ruft dann doch bei dem einen oder anderen ein Raunen hervor. Die Absage verfestigt, so scheint es, den Eindruck, dass das Thema Pflege für die Wahlkämpfer kaum eine Rolle spielt. Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), spricht dann offenbar vielen aus dem Herzen, als er seine Begrüßungsrede mit dem Satz beendet: "Wenn das Sich-kümmern-um andere-Menschen für unsere Gesellschaft nicht wichtig sein sollte, würde mich das schon sehr wundern?"
"Es ist an der Zeit, dass wir Druck erzeugen"
Der BPA ist auf der Pro Care, die auch heute noch läuft, mit seinem Fachkongress "Zukunft pflegen" präsent. In den Podiumsrunden war deutlich Ungeduld zu spüren. Der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang etwa zeigte auf einem Chart die verschiedenen Pläne der Ampel-Koalition zur Pflege und kam zu dem Schluss, dass die Regierung kaum einen davon umgesetzt habe.
BPA-Hauptgeschäftsführer Norbert Grote nahm die momentanen Pflegesatzverhandlungen der ambulanten Dienste mit den Pflegekassen in Niedersachsen zum Anlass, seinem Ärger Luft zu machen: "Wenn es noch nicht mal klappt, dass die Kostenträger nachvollziehbare und amtlich bestätigte Kostensteigerungen der ambulanten Dienste refinanzieren, dann fragt man sich schon, in welchem Staat wir überhaupt leben." Dass die Entgelterhöhung nicht gezahlt werde und die Kostenträger die Preise festsetzten, sei mit normalem Menschenverstand nicht nachvollziehbar. "Das können wir so nicht stehen lassen, es ist Zeit, dass wir Druck erzeugen."
"Trägerverbände sollten zusammenarbeiten"
Ulrich Christofczik, Geschäftsführer der Evangelische Dienste Duisburg, zielte später in die gleiche Richtung: "Wir üben nicht genug Druck aus, anderenfalls hätten wir viel mehr Resonanz in der politischen Diskussion." Es könne nicht angehen, dass jeder Trägerverband für sich im Bundesministerium für Gesundheit vorspreche, am Montag der BPA, am Dienstag die Caritas und am Mittwoch die Diakonie.
Grote sprach von einer "Allianz mit den Nutzerverbänden". Auch die Berufsverbände sollten dazukommen. "Dann geht es zunächst darum, die Schnittmengen zu prüfen. Und ich bin mir sicher: Wir werden sehen, dass es eine gibt."
Kirsten Gaede