Keine Angst vor Investoren-Geld
Kürzlich ist der Investor GIMV beim Pflegeanbieter Ambulantis eingestiegen. Ein Glücksfall meint Nicolas Krämer, Chef der auf Pflegeanbieter und Krankenhäuser spezialisierten Sanierungsberatung HC&S. In einem Gastkommentar für Care vor9, erklärt er, warum privates Geld den Pflegemarkt widerstandsfähiger und weniger insolvenzanfällig machen kann.

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Der Pflegemarkt steht vor einem Umbruch: Der Bedarf an pflegerischer Versorgung wird in den kommenden Jahren rapide wachsen. Gleichzeitig sehen wir eine erhebliche Ressourcenknappheit – personell, infrastrukturell und nicht zuletzt finanziell. Umso wichtiger ist es, neue Wege zu beschreiten, statt sich in ideologische Grabenkämpfe zu verlieren. So wie kürzlich der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) und der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB): Der BKSB forderte, die Pflegekassen sollten Versorgungsverträge nur noch mit gemeinnützigen Anbietern abschließen. Der BPA warf der kommunalen Interessenvertretung daraufhin "Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit" vor.
Diese zugespitzte Auseinandersetzung zwischen "privat versus kommunal" ist weder zeitgemäß noch zielführend. Es geht nicht um die Trägerschaft, sondern um Qualität, Zugänglichkeit und Innovationskraft. Private Investoren können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Pflege auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist.
An Ambulantis zeigt sich, wie sinnvoll der Einstieg von Investoren ist
Den aktuellen Einstieg des privaten Investors GIMV beim Pflegeanbieter Ambulantis betrachte ich als gutes Beispiel für ein Engagement, das Mut macht. Denn was wir im Pflegemarkt brauchen, ist ein konstruktiver Blick auf die Realitäten. Ambulantis, ein 500 Mitarbeiter starker Pflegeanbieter mit Pflegediensten, betreutem Wohnen und Tagespflege, ist ein klassischer Wachstums-Case: ein innovativer Anbieter in einem stark fragmentierten Markt mit klarem Qualitätsanspruch und großem Entwicklungspotenzial. Die Beteiligung von GIMV ist daher mehr als nur ein Kapitaltransfer – sie ist ein strategisches Investment in die Zukunftsfähigkeit der Pflege. Private Investoren bringen nicht nur dringend benötigte finanzielle Mittel, sondern auch betriebswirtschaftliches Know-how, Erfahrung in der Skalierung und Impulse für die Professionalisierung der Branche.
Investitionen in Digitalisierung, moderne Infrastruktur und effiziente Versorgungsprozesse sind teuer. Öffentliche Mittel alleine reichen dafür nicht aus. Gerade in einem Markt, der kleinteilig gewachsen ist und unter erheblichem Innovationsdruck steht, sind privatwirtschaftliche Mittel und Denkweisen ein wichtiger Hebel, um Versorgungssicherheit und Qualität zu garantieren.
Ein Blick über den Tellerrand der Altenhilfe hinweg ins Krankenhauswesen zeigt: Private Anbieter wie etwa die Helios-Kliniken sind nicht nur wirtschaftlich das Maß aller Dinge, sondern auch in Sachen medizinischer Qualität, wie Auswertungen der Initiative Qualitätsmedizin von über 500 Krankenhäusern in Deutschland und der Schweiz belegen. Das kommt vor allem denen zugute, um die es gehen sollte: den Patienten. Und nicht zuletzt profitieren auch die Steuerzahler. Immer weniger Häuser werden wirtschaftlich geführt, immer mehr Kommunen verabreichen ihnen Finanzspritzen in Millionenhöhe, das Geld fehlt dann im Haushalt an anderer Stelle.
Investoren ermöglichen stabile Versorgungsstrukturen
Im Pflegemarkt gibt es viele kleine Anbieter, zahlreiche davon mit großem Engagement, aber begrenzten Ressourcen. So führt die Fragmentierung zu Ineffizienzen, Versorgungsengpässen und fehlender Resilienz. Private Investoren helfen, professionell geführte, leistungsfähige Strukturen aufzubauen, die sich durch Qualität, Kontinuität und Skaleneffekte auszeichnen. Größere Anbieter sind in der Lage, Personal zu binden, Fachkräfte zu qualifizieren und digitale Anwendungen in der Breite auszurollen.
Diese Entwicklung ist im Sinne der Pflegebedürftigen. Denn stabile, qualitativ hochwertige und vernetzte Versorgungsstrukturen bedeuten auch: bessere Pflege, mehr Planbarkeit, weniger Ausfallrisiken. Gleichzeitig bleibt durch den Grundsatz der Trägerpluralität – wie er unter anderem in Paragraf 72, SGB XI verankert ist – die Vielfalt gewahrt. Die Kassen sind verpflichtet, mit allen geeigneten Trägern Verträge zu schließen, unabhängig davon, ob es sich um gemeinnützige, kommunale oder private Anbieter handelt. Dieser Wettbewerb ist kein Nachteil, sondern ein Garant für ein bedarfsgerechtes, flächendeckendes Versorgungsangebot.
Ein Blick auf Biontech zeigt: Rendite ist keine Sünde
Die Argumentation, dass Gewinnorientierung zwangsläufig zu schlechterer Versorgung führe, ist empirisch nicht haltbar und ideologisch aufgeladen. Karl Lauterbach wollte "das absurde Gewinn-Konzept" aus dem Gesundheits- und Sozialwesen gänzlich verbannen: "Wenn Sie zehn Prozent Rendite oder mehr rausholen, dann ist das mit seriöser Medizin kaum möglich", so der ehemalige Bundesgesundheitsminister im Dezember 2022. Dass der Impfstoff gegen Corona nicht im Labor einer staatlich finanzierten Universitätsklinik, sondern von Biontech, einem börsennotierten Unternehmen, entwickelt wurde, das 2021 eine Rendite von 54 Prozent erwirtschaftete, gehört allerdings zur Wahrheit, die nicht so recht in diese Argumentationsschiene passt.
Ja, Investoren verfolgen Renditeziele. Aber sie sind keineswegs unvereinbar mit dem Gemeinwohl, solange klare gesetzliche Rahmenbedingungen, Qualitätsstandards und Transparenzpflichten eingehalten werden. Eine differenzierte Debatte ist notwendig: Wie können wir sicherstellen, dass privates Kapital in qualitativ hochwertige Versorgung fließt? Wie können wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Innovation belohnt und nicht verhindert wird?
Private Investoren klug einbinden
Es ist an der Zeit, den alten Gegensatz von "gut = kommunal und freigemeinnützig" und "schlecht = privat" zu überwinden. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir werden sie nur bewältigen, wenn wir alle Akteure mitnehmen, die bereit sind, einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung zu leisten. Private Investoren sind keine Gegner der Pflege, sondern können – wenn klug eingebunden – zu Partnern werden.
Der Einstieg von GIMV bei Ambulantis zeigt: Es gibt ein wachsendes Interesse, in diesen Zukunftsmarkt zu investieren. Das sollten wir nicht ausbremsen. Damit Pflege in Deutschland auch morgen noch funktioniert.
Nicolas Krämer arbeitete in Management-Positionen in der Kaiserswerther Diakonie Düsseldorf, im Marienkrankenhaus Soest und im kommunalen Rheinland Klinikum. 2022 wurde der promovierte Wirtschaftswissenschaftler zum Vorstandsvorsitzenden der HC&S AG berufen.