Suche nach dem Patentrezept gegen ausufernde Leiharbeit
Das Thema brennt offenbar vielen Pflegeeinrichtungen auf den Nägeln. Knapp 120 Teilnehmer nicht nur aus Nordrhein-Westfalen loggten sich beim Online-Leiharbeitsgipfel der Ruhrgebietskonferenz-Pflege ein. Gemeinsam berichteten die Organisatoren aus der Pflegepraxis und suchten nach Lösungsansätzen, um Zeitarbeit in der Pflege wieder einzudämmen.
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Den Start machte Ulrich Christofczik, Vorstand des Christophoruswerks und Geschäftsführer der Evangelischen Altenhilfe Duisburg. Er verantwortet 17 stationäre Pflegeeinrichtungen mit rund 1.500 Plätzen und ist zudem Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege, eine Initiative aus rund 50 Arbeitgebern aus der Pflege.
Um das Problem Leiharbeit in der Pflege zu beziffern, nennt Christofczik Zahlen. 1,3 Millionen Euro hätten seine Pflegeheime im vergangenen Jahr für Fremdpersonal ausgegeben. Diese Mitarbeiter seien rund ein Viertel teurer als sein Stammpersonal. Das bedeute für seine Einrichtungen Mehrkosten von rund eine einer Viertelmillion Euro im Jahr.
Auf diesen zusätzlichen Kosten bleibe er sitzen, weil sich die Kassen weigerten, sie zu übernehmen. Daher reagiert Christofczik sauer auf den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die Leiharbeit einzudämmen, in dem Anreize wegfallen und die Mehrkosten nicht mehr ersetzt werden sollen. "So viel Unkenntnis macht mich fassungslos und wütend", sagt der Praktiker. "Die Vorschläge sind Lichtjahre von der Realität entfernt."
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
"Wir stehen vor der Wahl Pest oder Cholera", sagt Christofczik. Entweder Leiharbeit oder die Belegung reduzieren. Beides sei wirtschaftlich auf Dauer nicht zu stemmen. "Die Politik muss die Dramatik endlich erkennen." Verteufeln will Christofczik Leiharbeit nicht. "Ohne Fremdpersonal wäre die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen in der Corona-Zeit nicht möglich gewesen", aber sie müsse eingedämmt werden.
Einen Aderlass an Stammpersonal spürt Gereon Unnebrink von der AWO Essen, die sechs Einrichtungen betreibt. Früher sei Leiharbeit kein Thema gewesen, doch Corona habe den Mitarbeitern in der Pflege schwer zugesetzt. Der Krankenstand liege teilweise bei 15 Prozent, da komme man nicht ohne Leiharbeit aus. Fatal sei allerdings, dass Mitarbeiter ihm sagten, wegen der hohen Inflation müssten sie die AWO verlassen und bei einer Zeitarbeitsfirma anheuern. Das befeuere das wirtschaftliche Problem für die Einrichtungen noch.
Pflegedienste streichen Leistungen und lehnen Neukunden ab
In der ambulanten Pflege sieht es nicht anders aus, wie Martina Pollert von den Diakoniestationen Essen berichtet. Sie spricht für zehn Standorte und 400 Mitarbeiter. Pollert legt ebenfalls Zahlen offen. 2020 kosteten ihre eigenen Mitarbeiter 36 Euro pro Stunde, ein Zeitarbeiter schon 49 Euro, also etwa ein Drittel mehr. 2022 lag der Aufschlag doppelt so hoch. Ihre Festangestellten kosteten 39 Euro, die Leiharbeiter 63 Euro.
Warum werden sie dann eingesetzt? Um die Versorgung zu sichern und Ausfälle zu ersetzen. Die würden immer mehr. Die Krankheitsquote lag in der Vergangenheit bei drei Prozent, jetzt sei sie doppelt so hoch. Dennoch haben die Diakoniestationen entschieden, Leiharbeiter künftig nur noch in Notfällen einzusetzen.
Tatsächlich haben Pflegedienste einen Hebel, Leiharbeit zu vermeiden. Sie lehnen neue Kunden ab, berichtet Anna Leonardi vom Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege, kurz Devap. Bei einer Umfrage mit 500 Teilnehmern haben 78 Prozent der Anbieter gesagt, dass sie in den vergangenen sechs Monaten wegen Personalmangels ihre Leistungen eingeschränkt hätten. 95 haben sogar neue Kunden abgelehnt.
Viele Vorschläge, aber kein Patentrezept
Auch wenn Leiharbeit die Wirtschaftlichkeit und das Betriebsklima in den Pflegeeinrichtungen wegen der Rosinenpickerei belastet, ist kaum einer für ein Verbot. Allerdings für eine Regulierung, die selbst Zeitarbeitsanbieter Matthias Menne fordert, der ein "absurde Preis- und Lohnspirale auch unter den Zeitarbeitsfirmen" ausmacht. Er plädiert für einen Tarifvertrag Zeitarbeit Pflege, der etwa Lohnobergrenzen festschreibt.
Ein weiterer Vorschlag zielt auf einen Vertrag mit den Zeitarbeitsfirmen ab, der zum Beispiel einen Springerpool bereitstellt und immer die gleichen Mitarbeiter in eine Einrichtung schickt. Dies sei nicht nur für das Team gut, sondern vor allem für die Pflegebedürftigen, die möglichst feste Bezugspersonen brauchten.
Helmut Wallrafen, Chef der Sozial Holding der Stadt Mönchengladbach, beschreitet einen anderen Weg. Er macht seine Löhne und Arbeitsbedingungen transparent, wirbt offen mit seinem guten Stundenlohn. Bevor ein mehr für Fremdpersonal zahle, lege er lieber für Festangestellte etwas drauf. So hat Wallrafen einen eigenen Springer-Pool eingerichtet. Wer sich dort mitmache, verdiene mehr. "Wir sind attraktiv", sagt Wallrafen und spricht wieder von mehr Bewerbungen.
Thomas Hartung