Verhinderungspflege bleibt nahezu ungenutzt
3,75 Millionen Pflegebedürftige könnten Verhinderungspflege in Anspruch nehmen, doch die wenigsten tun es. Darauf macht das Verbraucherportal Biallo aufmerksam, mit Verweis auf Zahlen des GKV-Spitzenverbandes. Die übergroße Mehrheit – 3,3 Millionen – lässt die Möglichkeit ungenutzt. Der Grund? Die Leistung ist den meisten Pflegebedürftigen unbekannt. Das vermutet nicht nur Biallo: Die Erklärung der Pflegeanbieter zielt in die gleiche Richtung.
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Die Verhinderungspflege ist dafür gedacht, pflegende Angehörige zu entlasten
Im Jahr 2024 nutzten knapp 480.000 Pflegebedürftige die stundenweise Verhinderungspflege durch einen Pflegedienst, so die auf Tages- und Festgeld spezialisierte Verbraucherberatung Biallo. Die Variante der längerfristigen Ersatzpflege für volle Tage ist nur in knapp 35.000 der Fälle genutzt worden.
Die Verhinderungspflege ist im Sommer mit der Kurzzeitpflege zusammengelegt worden. Für beide Leistungen gibt es jetzt insgesamt einen "gemeinsamen Jahresbetrag" von bis zu 3.500 Euro. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte bei der Gelegenheit, dass es viel zu wenige Kurzzeitpflegeplätze und Angebote für Verhinderungspflege gebe. Das sehen die Pflegeanbieter anders: Die Kurzzeitpflege sei tatsächlich selten, weil die Anforderungen an die Betreiber komplex seien. Doch die Verhinderungspflege sollte kein Problem sein, so der Tenor. Wie Biallo ist etwa auch der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege Roland Weigel überzeugt: die wenigsten Pflegebedürftigen beziehungsweise Angehörigen wissen überhaupt, dass sie ab Pflegestufe 2 Anspruch auf Verhinderungspflege haben.
"Millionen Euro für Beratungsstellen sind zum Fenster rausgeworfen worden"
"Die Überforderung der Pflegebedürftigen zeigt, dass die Millionen Euro für Beratungsstellen eigentlich zum Fenster rausgeworfen wurden. Die Beratung ist in der Regel viel zu weit weg von Leistungsgeschehen angesiedelt", so Weigel. Es werde außerdem deutlich, dass das gesamte Pflegesystem mit seinen diversen Abgrenzungsdebatten für die Menschen, die es betrifft, gar nicht mehr zu verstehen sei. "Wir sehen daran, die nötig es ist, den ganzen SGB-XI-Komplex radikal zu vereinfachen."
Kirsten Gaede