"Viele Pflegedienste verhandeln nicht richtig"
Besonders kleinere Pflegedienste nehmen die geringen Pflegesätze für zeitaufwendige Behandlungspflege wie Wundversorgung oft unwidersprochen hin – und steuern dann oft Richtung Insolvenz, hat Ajla Crnalic beobachtet. Die Beraterin ist selbst Geschäftsführerin von AC Ambulante Pflege und fordert immer eine angemessene Vergütung. Mit Erfolg.
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Ajla Crnalic berät inzwischen auch andere Pflegedienste
Ajla Crnalic macht gerade mit ihrer 100 Pflegefachkräfte zählenden Warteliste Furore: Der SWR berichtete über sie, der MDR, RTL und auch Tagesschau.de mit einem langen Artikel, auf den am Mittwoch auch Care vor9 hingewiesen hat. Es gibt eine Passage in dem Beitrag, die Altenpflege-Insider stutzig machen könnte: Ajla Crnalic sagt, ihre Mitarbeiter dürften sich Zeit für die Patienten nehmen, sie sei nicht auf Gewinnmaximierung aus.
Aber kostendeckend möchte sie doch sicherlich arbeiten? Ein Anruf bei Crnalic in Worms bringt Licht ins Dunkel: Selbstverständlich denke sie betriebswirtschaftlich, antwortet die Pflegefachkraft. Und genau deshalb sagt sie den Kassen, dass Wundversorgung für 13 Euro für sie ein "No-go" sei. "Das geht absolut nicht: Die Wunde darf nur von einer Fachkraft versorgt werden, am besten sogar von einer Wundmanagerin, und die Kassen legen einen Zeitaufwand von fünf bis zehn Minuten zugrunde. Wie soll das gehen? In der Zeit hat man gerade einmal das Wundmaterial ausgepackt." 35 bis 45 Minuten dauere eine hochwertige Wundversorgung in der Regel insgesamt, die Berechnung der Kassen gehe für sie betriebswirtschaftlich nicht auf.
Crnalic schafft es fast immer, Sonderkonditionen mit den Kassen zu vereinbaren
"Wir schreiben in solchen Fällen immer die Kassen an – auch wenn es um Dinge wie parenterale Ernährung oder die Versorgung eines Tracheostomas geht – und sagen ihnen, dass das für uns mit der geringen Vergütung nicht funktioniert", erzählt Crnalic. "In fast allen Fällen vereinbaren wir dann Sonderkonditionen, mit denen wir die Leistung wirtschaftlich erbringen können."
Vor rund zwei Jahren gründete Crnalic ihren Pflegedienst, inzwischen hat sie ihn an einen Investor verkauft – ein "super visionärer Typ", wie sie sagt –, ist aber Geschäftsführerin geblieben. Doch berät sie nun auch andere Pflegedienste. Und dabei fällt ihr immer wieder auf, dass kaum einer ihrer Kunden nachverhandelt. "Meistens kommt die Leitung oder Geschäftsführung selbst aus der Pflege und ist nicht besonders betriebswirtschaftlich orientiert. Sie springt selbst häufig ein und hat schlicht nicht die Zeit, sich mit den Krankenkassen auseinanderzusetzen."
Viele Leitungen verbringen bis zu sechs Stunden mit dem Dienstplan
Allerdings: Viele Leitungen erzählen Crnalic, dass sie täglich vier bis sechs Stunden mit Dienstplan-schreiben verbringen, vor allem wegen der vielen Krankheitsausfälle. Das müsse nicht sein, da gebe es inzwischen ganz andere Lösungen. Crnalics 35 Mitarbeiterinnen schreiben den Dienstplan – unterstützt von einer modernen Software – selbst, ohne ihre Chefin. Das Gleiche gilt für den Tourenplan. So bleibt Crnalic Zeit für die Beratung – und eine gelegentliche Tour. Ein Vergnügen, das sie nicht missen möchte.
Kirsten Gaede