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9. Mai 2023 | 20:59 Uhr
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Vier von fünf Pflegeeinrichtungen fahren Leistungen zurück

"Wer heute pflegebedürftig wird, kann nicht darauf vertrauen, dass er zeitnah die nötige professionelle Pflege erhält", sagt Maria Lohheide (Foto), Vorständin der Diakonie Deutschland. Sie beruft sich auf eine Umfrage unter hunderten Pflegeeinrichtungen, von denen 76 Prozent ihren Leistungen wegen Personalmangels zurückfahren mussten. Vom Gesundheitsminister ist sie enttäuscht: "Karl Lauterbach erkennt die Dramatik nicht."

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Diakonie-Vorständin Maria Loheide fordert einen Masterplan für die Pflege

Für die Analyse hat der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) eine anonyme Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt, an der sich 655 Einrichtungen beteiligt haben. Das Ergebnis ist erschreckend: 76 Prozent mussten in den vergangenen sechs Monaten bereits Leistungen auf Grund von Personalmangel sowie wegen kurz- und langfristigen Erkrankungen von Mitarbeitern einschränken. 

Belegungsstopp und Ablehnung von Neukunden

In der stationären Pflege (498 Antworten) sagten 72 Prozent der Träger, dass sie Leistungen nicht erbringen konnten. Dies betraf vor allem die Neubelegung freier Betten, 56 Prozent der Einrichtungen haben einen selbstgesteuerten oder behördlich angeordneten Belegungsstopp.

Die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege (232 Antworten) ist noch kritischer. 89 Prozent der Pflegedienste gaben an, in den letzten sechs Monaten Neukunden abzulehnen. 29 Prozent sahen sich nicht in der Lage, Leistungen von Bestandskunden aufstocken. "Das sind unhaltbare Zustände", kommentiert Lohheide die Ergebnisse. 

Für eine halbe Million Pflegekräfte naht der Ruhestand

Die Hauptgründe für die Misere sind die kurzfristige (73%) und langfristige Erkrankung (66%) von Mitarbeitern. 67 Prozent bekommen offene Stellen nicht besetzt. Immerhin jeder vierte macht auch die Verrentung von Kollegen für Leistungseinschränkungen verantwortlich. Dieses Thema wird sich noch verschärfen, ist Loheide überzeugt. "In den nächsten zehn Jahren gehen eine halbe Million Pflegekräfte in den Ruhestand."

Lauterbach erkennt die Dramatik nicht

"Wir sind bereits mitten in einer akuten Pflegekrise", sagt Diakonie-Vorständin Loheide. "Nötig ist ein radikales Umdenken in der Politik, wenn wir die Pflege vor dem Kollaps bewahren wollen." Doch diese Einsicht sieht sie noch nicht. "Karl Lauterbach erkennt die Dramatik in der Langzeitpflege nicht", so Loheide enttäuscht. Und er nehme das Nein des Finanzministers zu dem, was im Koalitionsvertrag stehe, einfach ohne Widerstand hin, kritisiert sie das Pflegegesetz aus Lauterbachs Haus.

Mehr Druck auf die Politik machen

Loheide fordert einen Pflegegipfel, der alle Beteiligten an einen Tisch bringt, um die Langzeitpflege komplett neu aufzustellen. Vor seiner Wahl habe Bundeskanzler Olaf Scholz einen Pflegegipfel versprochen, so die Diakonie-Vorständin. Das müsse er jetzt einlösen. Zusammen mit anderen Trägern und Beteiligten in der Pflege schmiede man Bündnisse, um den Druck auf die Politik zu verstärken. Ideen und Konzepte für eine echte Reform der Pflege lägen seit langem auf dem Tisch. Das müsse nun endlich angegangen werden.

Thomas Hartung

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