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20. Dezember 2023 | 07:00 Uhr
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Schwesternschaft sammelt Erfahrungen mit "Primary Nursing"

Die Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz testet in dem von ihr geleiteten Alten- und Pflegeheim Haus Eichholzgärten in Sindelfingen ein neues Pflegeorganisationskonzept, das sogenannte "Primary Nursing". Dabei wird jedem Bewohner eine Primary Nurse zugeteilt, die vollständig für dessen Betreuung und Pflege zuständig ist. Der Test läuft seit April – und Susanne Scheck, Vorstandsvorsitzende der Württembergischen Schwesternschaft (Foto), hält ihn für einen Erfolg.

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Scheck ist vom in den USA vor mehr als 50 Jahren entwickelten Konzept des Primary Nursing so überzeugt, dass sie es für die Langzeitpflege im Alten- und Pflegeheim Haus Eichholzgärten in Sindelfingen ausprobieren wollte. "In meinen Augen ist es im Bereich der Pflege die ideale Lösung", sagt Scheck, "denn es ist tatsächlich am Patienten orientiert." Das würden zwar so gut wie alle Pflegeeinrichtungen von sich behaupten, "aber es stimmt aus meiner Sicht nicht, weil die vorherrschenden Organisationsformen gar nicht dazu passen".

Primary Nursing eher Beziehungs- als Bezugspflege

Beim Primary Nursing geht es darum, dass jeder Pflegebedürftige eine feste Pflegekraft zugewiesen bekommt, die für dessen Betreuung und Pflege zuständig ist. Sie stellt Pläne auf, führt sie durch oder überwacht sie und ist dauerhaft fester Ansprechpartner für die zu pflegende Person, dessen Familie und Ärzte. Ein Konzept, dass der Bezugspflege ähnelt, aber weiter geht: "In meinen Augen ist das eher eine Beziehungspflege." Denn bei der Bezugspflege können sich die täglichen Bezugspersonen für den Pflegebedürftigen je nach Dienstplan ändern, bei der Beziehungspflege soll das nicht der Fall sein.

Für den Fall, dass die Schicht einer Primary Nurse endet, bestimmt sie eigenständig zwei sogenannte Associates, die den Patienten dann an ihrer Stelle übernehmen, damit es zu keinem Leerlauf in der Betreuung kommt. Um dies zu gewährleisten, kommt es vor allem auf die Arbeitsorganisation an, wie Beate Schwarzer, Personalbereichsleiterin der Württembergischen Schwesternschaft, betont. Neben der Primary Nurse müssen auch ihre Associates eingeplant werden, die ihrerseits wieder von einem anderen Betreuten die Primary Nurses sind. Im Haus Eichholzgärten wurde es so geregelt, dass jede Primary Nurse die feste Bezugsperson für fünf unterschiedliche Patienten ist.

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Es ist ein Mehr an Verantwortung, dass nicht jeder machen kann. "Die eigentlichen Pflegetätigkeiten lernt jeder in der Ausbildung, aber hierfür benötigt man unbedingt etwas Erfahrung", wie Susanne Scheck erklärt, "das ist etwas für Pflegefachkräfte, also QN4." Eine Primary Nurse sollte ihrer Ansicht nach "dreijährig examiniert sein, eine gewisse Erfahrung haben und Verantwortung übernehmen wollen." Es komme aber auch auf andere Kompetenzen an wie Empathie, Kommunikation und Beratung – Dinge, die sich durchaus auch noch bei dem einen oder anderen entwickeln müssen.

Primary-Nursing-Konzept führt zu mehr Bewerbungen

Um für das Projekt die passenden Mitarbeiter im Team zu haben, wurden laut der Heimleiterin Sabrina Kirchner auch die Stellenausschreibungen optimiert und mehr Wert auf die Kompetenzentwicklung gelegt. Positiver Nebeneffekt: "Seither bekommen wir viel mehr Bewerbungen von Fachkräften rein, die auf dieses Mehr an Verantwortung richtig Lust haben", so Kirchner.

Vom Personalschlüssel her reiche die aktuelle Belegschaft für den Test aus. Im Haus Eichholzgärten leben 96 zu pflegende Personen auf drei Etagen, bei 85 Mitarbeitern. Der Test wird seit April erst einmal nur auf einer Etage mit 32 Betreuten durchgeführt. Bislang verläuft er laut den Beteiligten positiv, obwohl man gemerkt habe, dass man gerade in Sachen Kommunikation untereinander noch ein wenig besser werden kann. "Anfangs waren wir sehr praxisorientiert, sagt Kirchner, aber es stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter noch ein wenig mehr ermutigt werden müssen, "sich und ihre Ideen einzubringen", um die hohe Eigenverantwortung noch besser auszufüllen.

Bislang laufe es gut und der Plan sieht vor, das Konzept ab Januar auf die anderen beiden Etagen des Hauses auszurollen. Vor allem die dementen Patienten könnten nach Aussage von Susanne Scheck profitieren, da sie sich nicht immer wieder an neue Gesichter gewöhnen müssen. Generell brauche das Konzept Zeit, zu reifen. "Aber wenn wir im Sommer 2024 im ganzen Haus ein stabiles System haben, haben wir es gut gemacht."

Sven Schneider

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