Wie Florian Heuwer mit Zwölf-Stunden-Schichten punktet
Seit Mai müssen die Pflegekräfte im Seniorenpflegeheim Heuwer in Wedel bei Hamburg nur noch an einem Wochenende im Monat arbeiten. Möglich wird das durch Zwölf-Stunden-Schichten an den Wochenenden. Dass Inhaber Florian Heuwer (rechts) und sein Verwaltungsleiter Tino Dlugosz (links) den richtigen Riecher hatten, zeigt sich jetzt schon: Krankheitstage gehen zurück, die Zahl der Bewerbungen steigt.
Das Seniorenpflegeheim Heuwer ist ein kleines Familienunternehmen mit 40 Plätzen, die Entscheidungswege sind kurz, und Heuwer und sein Verwaltungsleiter Tino Dlugosz offenbar keine Typen, die sich in wolkigen Strategieplänen verzetteln. Sie fangen einfach an, fokussiert, Schritt für Schritt.
Beiden war klar, dass sie, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, beim Thema Freizeit ansetzen müssen. "Geld ist Pflegekräften, zumindest im Westen Deutschlands, nicht mehr so wichtig, die Freizeit hat Vorrang. Welche Veränderung könnte da aber für alle spürbar die größte Wirkung haben? Bei dieser Frage landet man schnell beim Thema Wochenende", sagt Heuwer.
So setzen sich die beiden Anfang des Jahres mit einer Beratungsfirma, mit der sie normalerweise über Pflegesatzverhandlungen sprechen, zwei Stunden zum Brainstormen zusammen – und kamen schnell auf die Idee mit der Zwölf-Stunden-Schicht: Alle 18 Pflegekräfte des Heims sollen pro Monat nur an einem Wochenende Dienst haben, dafür an ihrem Arbeitswochenende aber Zwölf-Stunden-Schichten leisten. So werden pro Wochenende insgesamt viel weniger Mitarbeiter benötigt – was ihnen allen, hier schließt sich der Kreis, drei freie Wochenenden ermöglicht.
So funktionieren die Zwölf-Stunden-Schichten
Im Detail sieht das im Seniorenpflegeheim Heuwer so aus: Es gibt nur noch eine Tagschicht und eine Nachtschicht. Die Nachschicht dauert 12 Stunden und startet um 19 Uhr. Für den Tagdienst gibt es zwei Varianten: von 6.45 bis 19.15 Uhr (inklusive einer Stunde Pause) und von 8 bis 20 Uhr. „Dass der Tagdienst sich bei uns schon um 20 Uhr verabschiedet, ist in unserer Einrichtung kein Problem, weil wir sehr viele hochaltrige Bewohner mit Demenz haben, die ohnehin alle früh ins Bett gehen“, meint Heuwer.
Im Dienst sind am Wochenende tagsüber drei Pflegekräfte, zur Stoßzeit morgens zwischen sieben und elf Uhr kommt an beiden Tagen eine Mini-Jobberin hinzu. Für den Fall, dass sich jemand am Wochenende krankmeldet, gibt es an beiden Tagen jeweils einen Bereitschaftsdienst, gestellt von einer Kollegin, die zwischen sechs und zehn Uhr angerufen werden kann. Der Bereitschaftsdienst wird gesondert vergütet, jede Pflegekraft ist höchstens einmal im Monat betroffen. Bisher musste der Bereitschaftsdienst nur an zwei Tagen einspringen.
Warum die Zwölf-Stunden-Schichten oft entspannter sind
"Ganz am Anfang sind wir am Wochenende mitgelaufen, wir wollten aus erster Hand erfahren, wie es läuft und sehen, ob es noch Stellschrauben gibt, an denen wir drehen müssen", erzählt Verwaltungsleiter Dlugosz. Und es fanden sich auch welche: "Ein Beispiel: In der Woche setzt sich das Team meistens gemeinsam hin zum Frühstück und wenn es klingelt, geht schnell einer raus. Aber jetzt, bei der langen Arbeitszeit ist es wichtig, dass die Pausen nicht unterbrochen werden – das war den Pflegekräften nicht klar. Also haben wir die Regel eingeführt, dass sich zwei hinsetzen, während eine immer draußen bleibt und anschließend Pause macht."
Die Bewohnervertretung befürchtete anfangs, dass manches vielleicht zu kurz kommt, die langen Schichten vielleicht zu anstrengend sind und am Ende die Zuwendung leidet. "Aber das Gegenteil ist der Fall", sagt Heuwer. "Die Mitarbeiter können ihren Tages- und Arbeitsablauf jetzt viel eher selbst strukturieren, ihnen bleibt mehr Zeit, um etwa mit den Bewohnern spazieren zu gehen oder ihnen ein Vollbad zu bereiten." Vielleicht sorgt auch der Gedanke an den Montag für Entspannung, denn den gibt es jetzt nach dem Arbeitswochenende regelhaft frei.
Die Macht der Mund-zu-Mund-Propaganda
Dass Heuwer und Dlugosz mit ihrem Arbeitszeitmodell einen Nerv getroffen haben, zeigt sich jetzt schon: "Wir haben einen messbaren Rückgang bei Krankenmeldungen und Wunschfrei", berichtet Dlugosz. Auch die Bewerbungen werden wieder mehr. Gern erzählt Heuwer die Geschichte einer Mitarbeiterin, die eine alte Kollegin am S-Bahnhof getroffen hat und der begeistert vom neuen Wochenend-Modell berichtete. Die Pflegekraft, seit 30 Jahren in Festanstellung bei einem größeren Arbeitgeber, bewarb sich postwendend bei Heuwer.
Vielleicht, wer weiß, würde der größere Arbeitgeber der Kollegin auf dem Bahnhof, auch gern flexiblere Arbeitszeiten anbieten. Heuwer ist bewusst, dass er mit seinem kleinen Familienunternehmen beispielsweise weniger mit Betriebsräten diskutieren muss. Dennoch: Dass es so unkompliziert ist, wie er und Dlugosz es erlebt haben, damit hat er nicht gerechnet.
So unkompliziert können Behörden sein
Genau zwei Behördengänge waren für das Arbeitszeitmodell nötig: zur Berufsgenossenschaft und zum Amt für Arbeitsschutz. Die Berufsgenossenschaft habe nur gesagt, die Arbeitsplatzgefährdungsbeurteilung müsse stimmen. "Heikler wurde es beim Amt für Arbeitsschutz", erzählt Heuwer. "Der Arbeitssicherheitsbeauftragten meinte, man könne die Arbeitszeit auf zwölf Stunden erhöhen, wenn sich dadurch mehr freie Tage ergeben. Er riet uns, einen formlosen Antrag zu stellen und alte und neue Dienstpläne hinzufügen. Das taten wir, nach zwei Wochen wurden wir unruhig, denn wir wollten am 1. Mai beginnen. Wir hakten nach und am 27. April, einem Freitag, haben wir am späten Abend die Ausnahmegenehmigung vorab per E-Mail erhalten. Manchmal hat man einfach Glück."
Kirsten Gaede