Altenpflegekräfte fast acht Wochen krank im Jahr
In kaum einer anderen Berufsgruppe gibt es so viele Krankheitsausfälle wie in der Altenpflege: Im Durchschnitt waren die Beschäftigten 2024 an knapp 39 Tagen arbeitsunfähig gemeldet. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport 2025 des BKK Dachverbands hervor. 2023 lag der Mittelwert sogar über 39 Tagen. Als Ursachen nennen Experten starke körperliche und psychische Belastungen, aber auch hakelige Arbeitsprozesse und mangelnde Unterstützung im Umgang mit schwierigen Arbeitssituationen.
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Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Gründen für Krankheitsausfälle in der Altenpflege
Matthias Richter, Mitautor des BKK-Gesundheitsreports, beschreibt die Altenpflege als einen der wenigen Bereiche, in denen Beschäftigte sowohl körperliche als auch psychische Überlastung klar benennen. Schichtbetrieb, Zeitdruck und Unterbesetzung wirken verstärkend. Hinzu kommt, dass nur wenige Arbeitgeber in der Branche ein funktionierendes Ausfallmanagement haben. Das heißt: Mitarbeiter werden immer spontan an ihren freien Tagen angerufen und gebeten einzuspringen.
Körperlich belastend ist vor allem das Stützen, Heben und Umlagern pflegebedürftiger Menschen, sagt KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. Kein Wunder also, dass Rückenschmerzen zu den häufigsten Diagnosen gehören. Gleichzeitig wirkt der emotionale Druck: Der tägliche Umgang mit schwerkranken oder sterbenden Menschen geht vielen nahe, ebenso wie die Verantwortung für die Medikation. Denn Fehler können hier gravierende Folgen haben.
Ungesunder Lebensstil durch Schichtarbeit
Nach Rückenschmerzen zählen Anpassungsstörungen, akute Belastungsreaktionen und depressive Episoden laut KKH zu den häufigsten Gründen für Ausfälle. Zeitmangel, Personalmangel und Schichtarbeit stören den Schlaf-Wach-Rhythmus, so Judick. Und: Sie begünstigen ungesundes Essverhalten. Das, beides zusammen genommen, schwächt Körper und Psyche zusätzlich.
Hinzu kommt die Daueranspannung: Manche Bewohner rufen ständig nach Hilfe, ohne dass dringende Bedürfnisse dahinterstehen. "Das wird oft nicht einmal als Problem benannt", kritisiert Joachim Görtz, der beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) die Stabsstelle Betriebliche Gesundheitsförderung leitet. Aus seiner Sicht brauchen Pflegekräfte deutlich mehr Unterstützung im Umgang mit solchen Situationen – und auch "mit grenzüberschreitenden Angehörigen".
Qualifikation beeinflusst Krankheitstage
Die Daten zeigen Unterschiede innerhalb der Berufsgruppe. Pflegehilfskräfte hatten laut KKH rund 40 Krankheitstage, Pflegefachkräfte etwa 36. Der BKK-Report weist zudem darauf hin, dass der Bildungsgrad eine wichtige Rolle spielt. Versicherte in akademischen Berufen haben deutlich weniger Krankheitstage, Geschäftsführer und Vorstände im Schnitt nur rund zehn pro Jahr, Wissenschaftler sogar weniger.
Qualifizierte Pflegekräfte arbeiten eher selbst bestimmt und erledigen komplexere Aufgaben, während Helfer stärker in körperliche Routinetätigkeiten eingebunden sind. Diese Tätigkeiten sind anfälliger für Verletzungen und körperliche Erschöpfung.
Eine gute Arbeitsorganisation kann helfen
Wie lassen sich die Krankheitstage reduzieren? Görtz sieht die größten Chancen bei der Organisation. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass der Krankenstand in Einrichtungen mit hohem Digitalisierungsgrad um bis zu 20 Prozent sinken kann. Auch ein gutes Ausfallmanagement, etwa über einen Springerpool, entlaste Teams und reduziere Stress.
Görtz sieht außerdem "klaren und wirkungsvollen Ansatz bei den Arbeitgebern": Sie könnten Beschäftigten helfen, Abgrenzungsstrategien zu entwickeln. Selbstfürsorge dürfe nicht allein Aufgabe der Mitarbeiter sein. "Dass Pflegekräfte einen Weg finden, Belastungen wie das ständige Rufen eines Bewohners oder den gereizten Angehörigen nicht zu nah an sich heranzulassen, sollten Arbeitgeber unbedingt unterstützen."
Der BKK Gesundheitsreport 2025 steht auf der Website des BKK Dachverbands zum Download bereit. Die Tabelle mit den Krankheitstagen nach Berufsgruppen steht auf Seite 84.
Kirsten Gaede