Pflegeheime dokumentieren immer noch viel zu viel
Pflegeheime dokumentieren viel mehr, als notwendig ist. Darauf hat schon vor über einem Jahr Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) aufmerksam gemacht. Doch die Überzeugung, es müsse alles aufgeschrieben werden, hält sich hartnäckig, so Birgit Waldau (Foto) vom Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe auf dem Deutschen Pflegetag in einer Podiumsdiskussion des Verbands katholischer Altenhilfe (VKAD).
VKAD
Die Dokumentation sei oft ausufernd, es werde nicht die Frage nach der Notwendigkeit gestellt, sagt Birgit Waldau vom MD Westfalen-Lippe
"Immer wieder hören wir in den Einrichtungen die Klage: Wir müssen so viel dokumentieren und viel aufschreiben", sagte Waldau in der VKAD-Session "Qualitätsprüfungen neu denken – vom Optimierungspotenzial einer zwingenden Notwendigkeit". Da werden bei jedem Bewohner Trinkprotokolle geführt, obwohl das längst nicht in allen Fällen notwendig ist. "Die Dokumentation sollte das prozesshafte, pflegefachliche Handeln erkennen lassen und ein klares Bild der individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der versorgten Person und der daraus resultierenden Maßnahmen aufzeigen."
Es sei Zeit, dass die Pflegeheime bei der Dokumentation die Frage nach der Notwendigkeit stellen und nur wirklich Relevantes aufschreiben, so die stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Pflege des MD Westfalen-Lippe. Das bestätigte am Rande der Session auch die pflegefachliche Leitung des Medizinischen Dienstes Hessen. "Ich beobachte oft, dass auf alle Bewohner geschlossen wird, wenn wir ein Ernährungsprotokoll für einen bestimmten Bewohner empfehlen, weil er zu wenig isst. Das Gleiche gilt für Trinkprotokolle oder das regelmäßige Wiegen", so Vera Gualdi. Solche Protokolle seien nur angezeigt, wenn ein Bewohner in bestimmten Punkten von der Normalität abweicht und für ihn das Risiko zu dehydrieren besteht, Mangelernährung zu erleiden etc.
Ein Blick in die "Zehn häufigsten Mythen zur Pflegedokumentation" bietet Orientierung
Wenn es um ein bestimmtes Risiko geht, könne es auch sinnvoll sein, von Zeit zu Zeit einen Zwischenbericht zu schreiben, empfiehlt Waldau, um zu zeigen, dass man es im Blick hat. Das gelte aber eben nur für Fälle, in denen tatsächlich ein Risiko besteht.
Eine anspruchsvolle Dokumentation sei nach wie vor wichtig, doch habe 2019 mit der Einführung der Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) Stationär ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Die Ergebnisqualität sei in den Vordergrund gerückt – weshalb beispielsweise zuerst immer die Patienten in Augenschein genommen würden. Eine gute Orientierung für eine sinnvolle und ökonomische Dokumentation bietet die Zusammenstellung der "Zehn häufigsten Mythen über die Pflegedokumentation" der Bayerischen Initiative Pflegedokumentation.
Kirsten Gaede