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26. Juni 2023 | 18:33 Uhr
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Pflegenotstand: "Was immer wir tun, das alles reicht nicht"

Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey von der Charité Berlin ist eine Frau der klaren Worte. Beim Blick auf die nackten Zahlen von Pflegekräften und Pflegebedürftigen sei ein flächendeckender Pflegenotstand nicht mehr aufzuhalten, sondern nur noch einzudämmen. Pflege werde zum knappen Gut, sind sich alle Vertreter der "Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform" einig. Sie fordern vor allem mehr Freiheit beim Personaleinsatz und Prävention, um Pflegebedürftigkeit zu verhindern.

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Pflege für alle, wie wir sie heute kennen, wird immer mehr zur Illusion, warnt die "Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform"

Die Welle an Pflegebedürftigen, die auf uns zu schwappt, sei nicht zu schaffen. 13 Millionen Babyboomer verabschiedeten sich in den nächsten Jahren aus dem Beruf, darunter überproportional viele Pflegekräfte. Auf die Pflege rolle von 2035 bis 2045 die stärkste Nachfrage zu. "Was immer wir tun, das alles reicht nicht", glaubt Kuhlmey. Die Pflege müsse sich radikal ändern, um den Notstand wenigstens einzudämmen, aufhalten lasse er sich nicht. 

"Wir haben die falsche Philosophie", so das Fazit der Pflegewissenschaftlerin, und das stamme aus dem 19. Jahrhundert. Statt nur Pflege zu organisieren, müsse man versuchen, Pflegebedürftigkeit zu verhindern oder so weit es geht hinauszuzögern und den Menschen so lange es gehe ein selbstständiges Leben in ihrem Zuhause zu ermöglichen. Körperliche Aktivität, geistiger Ansporn, gesunde Ernährung und Gesellschaft seien dafür die richtigen Ansätze. "Ruhestand beschleunigt den geistigen Abbau" und "Einsamkeit ist ein Gesundheitsrisiko", so Kuhlmey.

Pflege-Prävention finde in Deutschland aber nicht statt, bedauert die Wissenschaftlerin. "Wir bezahlen heute die Versorgung von Defiziten, nicht die Erhaltung der Ressourcen." Andere Länder wie Japan seien das weiter, dort werde die Selbstständigkeit alter Menschen gefördert. 

Mehr Freiheit beim Personaleinsatz

Neben der Prävention geht es der Inititiative nicht weniger als um einen Neustart der Pflege. "Geld allein löst das Problem nicht", sagt Thomas Eisenreich, Geschäftsführer des Bundesverbands der Betreuungsdienste" und spricht von Selbsttäuschung. Der Fachkräftemangel lasse sich nicht beheben. "Wir müssen uns darauf einstellen, die Altenpflege künftig mit weniger Personal zu organisieren, da rund eine halbe Million Pflegefachpersonen in den nächsten Jahren in Rente gehen", stimmt Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, zu.

"Es ist an der Zeit, in der Pflegepolitik umzusteuern, wenn die flächendeckende Versorgungssicherheit nicht noch weiter gefährdet werden soll", sagt auch Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer vom Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe. "Wir müssen die verfügbaren Ressourcen effizienter einsetzen, so gut es geht Pflegebedürftigkeit vermeiden und den Pflegeunternehmern mehr Gestaltungsfreiheiten einräumen." Denn sie seien Teil der Lösung und nicht das Problem.

Modellprojekte bleiben ohne Auswirkung im Alltag

Halletz argumentiert in die gleiche Richtung. "Mit starren Personalquoten kommen wir nicht mehr weiter." Die Initiative fordert daher mehr Freiheit beim Personaleinsatz. Fachkräfte müssten von Arbeiten befreit werden, die auch andere erledigen könnten. Die starre Regulierung verhindere, dass innovative Ansätze auch umgesetzt würden. Es gebe jede Menge Modellprojekte, doch nach deren Ende werde nichts davon im Alltag umgesetzt.

Dies führe letztlich dazu dass schon heute pflegebedürftige Menschen unversorgt blieben. Die benötigten Pflegekräfte gebe es schlicht nicht. Die Einwanderung von Pflegefachkräften sei zwar dringend notwendig, löse das Problem allein aber nicht. "Es wird nicht mehr jeder Zugang zur Pflege haben", sagt Knieling. Es würden Menschen ausgeschlossen, das Leistungsversprechen sei nicht mehr zu halten.

Die Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform hat ihre Ideen und Forderungen zu Papier gebracht und ein sechsseitiges Memorandum verfasst, das kostenlos heruntergeladen werden kann.

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