Branche wünscht sich weniger Bürokratie und Willkür
Was braucht die Altenpflegebranche, um kraftvoll die dringend benötigte Versorgungsstrukturen aufzubauen? Auf Staatshilfen kann sie verzichten, wichtig sind hingegen Bürokratieabbau, Verlässlichkeit und weniger Willkür – darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) auf dem Deutschen Pflegetag einig. Mit dabei waren die Pflegebeauftragte Katrin Staffler (Foto), Korian-Deutschland-Chef Christian Gharieb und die Abteilungsleiterin Pflege der Diakonie Hessen, Sonja Driebold.
BPA
Die Pflegebeauftragte Staffler (CSU) plädiert für eine Vielfalt von Wohnformen
Korian habe nichts dagegen, sich in Deutschland weiter am Ausbau der pflegerischen Versorgung zu beteiligen, sagte Gharieb. Wichtig sei aber Verlässlichkeit, denn ein einziger neuer Pflegeplatz bedeute eine Investition von 230.000 Euro. "Da müssen die Finanzierungsvoraussetzungen des Systems schon über eine lange Periode abgesichert sein." Wünschenswert seien auch bundesweit konsistente und weniger willkürlich wirkende Bauvorgaben. "Anderenfalls lässt sich das für uns gar nicht standardisieren", so der Chef von Deutschlands zweitgrößtem Pflegeanbieter.
Auch die Leistungsvergütung wirke oft willkürlich, beklagte Driebold: "Wie kann es sein, dass eine Injektion in der ambulanten Pflege in Thüringen mit knapp fünf Euro vergütet wird und in Berlin mit circa neun Euro? Wie kann es sein, dass die Vergütung davon abhängig ist, je nach dem wie verhandelt wurde, die Wegpauschale berücksichtigt wurde, etc. Auch, dass unterschiedliche Zeiten für ein und dieselbe Leistung vorgegeben werden, ist schlicht und ergreifend nicht verständlich."
So willkürlich und wenig verlässlich sich die Bedingungen für Pflegebetreiber oft darstellen, so bürokratisch und unflexibel sind sie in deren Augen zugleich: Gharieb erzählte von einer Einrichtung in Italien, die geriatrische Reha, Notfallversorgung, Demenzversorgung und Wohnen unter einem Dach vereint hat und fragte: "Warum kommt bei uns ein Pflegebedürftiger aus dem Krankenhaus in die Kurzzeitpflege, wartet dort zwei Wochen auf einen freien Platz in der Reha und kehrt dann am Ende wieder in sein Pflegeheim zurück?"
Staffler will mit Staatssekretären aus fünf Ministerien das Problem der langen Anerkennungsverfahren lösen
Sie teile seine Meinung, sagte Staffler. "Wir müssen die Sektorengrenzen abbauen. Jeder sollte die Versorgung erhalten, die er benötigt. Besser als weitere Sektoren wie die stambulante Versorgung ist eine Vielfalt von Wohnformen und Ideen, so dass man individuellen Wünschen mit individuellen Angeboten begegnen kann."
Die Diskutanten waren sich einig, dass überbordende Bürokratie auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse herrsche. Die internationalen Pflegefachkräfte würden in Deutschland so dringend gebraucht, so Staffler. Doch im Grunde signalisiere man ihnen: "Nö, muss nicht sein." Ein Teil des Problems seien die zahlreichen involvierten Ministerien. Um genau "aufzudröseln", wo die Schwierigkeiten liegen, hat die Pflegebeauftragte die zuständigen Staatssekretäre zu sich eingeladen zu sich eingeladen – aus dem Auswärtigem Amt, dem Innenministerium, dem Arbeitsministerium, dem Bildungsministerium und Gesundheitsministerium.
Kirsten Gaede