Gutachter der Privaten stellen Pflegegrad 1 infrage
Die Reform der Pflegebedürftigkeit 2017 mit der Änderung von drei auf fünf Pflegegrade hat die Zahl der Anträge und Begutachtungen in die Höhe schnellen lassen. Ziel war es, mehr Menschen Leistungen zukommen zu lassen. Doch gerade beim Pflegegrad 1 sei dies oft gar nicht nötig, schließt der Begutachtungsdienst der privaten Kassen, Medicproof, aus der Datenanalyse und einer Umfrage unter Gutachtern.
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Zwei Dritteln der Antragsteller für einen Pflegegrad gehe es in ersten Linie um finanzielle Unterstützung, so das Ergebnis der Umfrage unter 1.200 Gutachtern. Professionelle Pflege werde nur in geringem Maße von gerade mal 16 Prozent der Versicherten nachgefragt. Heilmittel und Reha-Maßnahmen spielten für bei Antragstellung gar keine Rolle. Die Mehrheit verfüge über ausreichend Heilmittel und sei versorgt.
So wundert es nicht, dass mehr als 80 Prozent der Gutachter keine Notwendigkeit sehen, die Leistungen der Pflegeversicherung auf Personen auszuweiten, die aktuell keinen Pflegegrad erhalten. Ein gutes Drittel der Gutachter sagt sogar, dass Personen mit Pflegegrad 1 keine Leistungen der Pflegeversicherung benötigten.
Jeder Vierte nach Erstbegutachtung Pflegegrad 1
Der im Jahr 2017 neu geschaffene Pflegegrad 1 habe dazu geführt, dass die Zahl der weniger in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkten Pflegebedürftigen gestiegen sei, so die Medicproof-Analyse der Begutachtungsdaten des vergangenen Jahres. Der Anteil der Personen, die nach einem Erstantrag einen Pflegegrad 1 erhielten, habe bei 24 Prozent gelegen. Vor fünf Jahren seien es noch 20 Prozent gewesen.
Diese Zunahme betreffe ausschließlich den ambulanten Bereich, so Medicproof. Hier habe sich in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl an Einstufungsgutachten auf 195.000 verdoppelt. Dagegen ist die Zahl der Begutachtungen in der stationären Versorgung mit rund 28.000 Einstufungsgutachten niedriger als 2014 mit gut 30.000.
99 Prozent leben mit Pflegegrad 1 zuhause
Die Ergebnisse der Datenanalyse zeigten zudem, dass die Einführung des Pflegegrads 1 vor allem älteren Versicherten den Zugang zu Leistungen aus der Pflegeversicherung erleichtert habe. Versicherte Personen, die im Anschluss an eine Erstbegutachtung Pflegegrad 1 erhalten, sind bei der Antragstellung mit fast 79 Jahren im Durchschnitt die ältesten Pflegebedürftigen.
Diese seien entgegen dem verbreitenden Bild von Pflegebedürftigkeit in vielen Bereichen noch selbstständig, benötigten aber in manchen Bereichen der Selbstversorgung, primär der Haushaltsführung, Unterstützung. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 leben zu 99 Prozent allein oder mit mindestens einer anderen Person im eigenen Wohnumfeld. Sie werden weit überwiegend durch private Pflegepersonen betreut.
Pflegegrad 1 sollte auch Prävention verbessern
Mit der Reform der Pflegebedürftigkeit verfolgte die Politik das Ziel, mehr Menschen Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung zu gewähren. Hierbei spielte der neu geschaffene Pflegegrad 1 eine zentrale Rolle. Ziel war es auch, die Menschen frühzeitiger zu unterstützen und insbesondere präventive Maßnahmen rechtzeitig und wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen.
Mit Pflegegrad 1 haben Versicherte Anspruch auf den sogenannten Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat, über den sie frei verfügen könne. Zudem gibt es bis zu 40 Euro monatlich für Pflegehilfsmittel und 25,50 für einen Hausnotruf. Wohnraumanpassungen werden mit bis zu 4.000 Euro bezuschusst.
Thomas Hartung