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6. August 2023 | 21:26 Uhr
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"Von den Gründungen in der Pflege nicht blenden lassen"

"Die aktuellen Probleme werden immer wieder geleugnet und schöngeredet", sagt Andrea Kapp (Foto), Geschäftsführerin des Bundesverbands Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (BAD). Dass es im ersten Halbjahr mehr Gründungen als Schließung in der Pflege gegeben habe, sei kein Indikator für die miserable wirtschaftliche Situation. "Tatsächlich steigen die Insolvenzen", so Kapp. Es könne keine Rede davon sein, dass die Pflegewirtschaft die Lage schlimmer darstelle, als sie sei.

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BAD-Geschäftsführerin Andrea Kapp warnt vor Bagatellisierung der Probleme in der Pflege

Care vor9 hatte vergangene Woche über die Daten der Agentur Pflegemarkt.com berichtet, wonach es im ersten Halbjahr in der Pflege mehr Neugründungen als Schließungen gegeben hat. Dies kam offenbar bei einigen Beobachtern so an, als ob die Probleme in der Pflege nicht so brisant wären, wie die Verbände dies immer wieder betonen. 

"Man darf sich allein von den Einrichtungsgründungszahlen nicht blenden lassen, weil sie kein sicherer Indikator für die wirtschaftlichen Probleme des operativen Geschäfts sind, sondern lediglich ein Indikator für die Hoffnung, selbst die Probleme besser meistern zu können, als dies bei anderen der Fall ist", kommentiert Kapp die Zahlen. Wie viele der neu gegründeten Einrichtungen in einem wirtschaftlich schwierig gewordenen Umfeld das erste Jahr überstehen, sei zudem oft fraglich.

Insolvenzen in der Pflege nehmen zu

Die Statistik berücksichtige zudem nicht, wie viele Betriebe defizitär arbeiteten und zum wirtschaftlichen Überleben auf Rücklagen zugreifen müssten. "Tatsächlich steigen die Insolvenzen", sagt Kapp. Laut Statistischem Bundesamt habe es von Januar bis April einen Zuwachs der beantragten Insolvenzverfahren von 27 im Januar auf 94 gegeben. Rechne man die Zahlen auf das ganze Jahr hoch, sei eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Vorjahr zu erwarten.

Bei genauerem Hinsehen seien die Zahlen alarmierend. Die Schließungen von Tagespflegen hätten im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um 411 Prozent zugenommen. Gleichzeitig seien die Gründungen von Tagespflegen um mehr als 17 Prozent zurückgegangen. "Dies belegt den Anfang eines strukturell gefährlichen Trends, der gerade erst begonnen hat."

Angesichts der demografiebedingten massiv steigenden Nachfrage nach professioneller Pflege sei ein leichter Zuwachs einfach zu wenig. "Wenn wir bei den Neugründungen einen regen Zufluss benötigen, dann dürfen wir uns nicht dafür feiern, wenn die tatsächlichen Zahlen einem tropfenden Wasserhahn gleichen", so Kapp.

Thomas Hartung

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