Warum Azurit einen 23-Jährigen zum Hausleiter macht
Beim Pfälzer Pfleganbieter Azurit ist kürzlich ein 23-Jähriger Hausleiter geworden. Da liegt die Frage nahe: Kann der das? Geht das auch ohne viel Erfahrung? Ja, es klappt außerordentlich gut, meinen die beiden Geschäftsführer Simon Welte (Foto) und Markus von Puttkamer. Schließlich haben sie ihn während seines Traineeprogramms im Unternehmen gut kennengelernt. Mit seiner Beförderung möchte Azurit auch das Interesse weiterer junger Bewerber wecken.
Azurit
Simon Welte, Sprecher der Geschäftsführung, möchte mit der Entscheidung für Marc Kranepuhl auch eine moderne Haltung zum Ausdruck bringen
"Ob jung, ob alt – das spielt bei uns keine Rolle. Eine Führungskraft muss gut sein. Wenn wir sehen, dass bei ihr die Bewohner gut versorgt werden, dann ordnet sich dem alles unter“, sagt Welte, Vorsitzender der Geschäftsführung. Trotzdem: Ein 23-jähriger Hausleiter – da ist schon etwas Besonderes. Azurit hat die Beförderung wohl auch deshalb mit einer Pressemitteilung begleitet. Wäre die neue Hausleitung Ende 50, wäre das wohl nicht passiert. Der Pflegeanbieter möchte bei jungen Leuten punkten.
Es gehe darum, eine moderne Haltung auszudrücken, zu zeigen, dass bei Azurit Leistung zähle und nicht Sitzfleisch wie bei so vielen anderen Trägern. "Da wollen wir uns tatsächlich deutlich abgrenzen", sagt von Puttkamer. "Wer sich bei uns als kompetent erweist, der soll auch weiterkommen. Das ist doch das Dümmste, was man tun kann: So lange zu warten, bis der junge engagierte Mitarbeiter kündigt, um ihm dann zu sagen: Oh, das hätten wir früher wissen müssen, eigentlich hatten wir vor, dich in ein paar Jahren auf eine Führungsposition zu setzen."
"Die Jüngeren wollen Chefs, die mit ihnen reden"
Um herauszufinden, welche Mitarbeiter sich für eine herausgehobene Position eignen, gehen die beiden Geschäftsführer, so beteuern sie, mit offenen Augen durch den Betrieb, reden mit Mitarbeitern, so wie das auch die anderen Kollegen der oberen Managementebene machen. "Das hilft nicht nur potenzielle Führungskräfte zu identifizieren: Es ist auch das, was die Jüngeren heute erwarten. Man kann als Geschäftsführer nicht mehr im Elfenbeinturm sitzen, das machen die nicht mit. Die wollen Chefs, die mit ihnen reden und nicht in den alten Strukturen arbeiten. Sicherlich geht es nicht ohne eine gewisse Hierarchie, aber es ist völlig kontraproduktiv, sie zu sehr zu betonen", sagt Welte, der schon bei Renafan, einem großen Anbieter ambulanter Pflege, Geschäftsführer war.
Die jungen Talente müssen, wenn entdeckt, aber auch gefördert werden. Dass findet bei Azurit strukturiert statt. Es gibt seit über 20 Jahren ein Traineeprogramm, das schon von Puttkamer absolviert hat. So war es auch bei dem 23-jährigen Marc Kranepuhl, der gerade Hausleiter im Seniorenzentrum Palais-Balzac in Leipzig geworden ist: Er studierte an der Berufsakademie Plauen Gesundheits- und Sozialmanagement, Azurit war Praxispartner während dieses dualen, zweieinhalb Jahre dauernden Studiengangs. Anschließend nahm er am Traineeprogramm teil, arbeitete in verschiedenen Einrichtungen des Trägers und abschließend in der Unternehmenszentrale in Eisenberg. Zuletzt übernahm er für neun Monate interimistisch die Leitung des Seniorenzentrums Drei Tannen in Thalheim – jener Einrichtung, in der er schon sein Studium absolviert hatte.
Nachwuchs lässt sich auch ohne hauseigenes Traineeprogramm aufbauen
"Während seiner Zeit dort verantwortete er unter anderem die Eröffnung eines vierten Wohnbereichs. Wir können also mit Fug und Recht, dass wir ihn gut kannten, bevor wir ihn zum Hausleiter ernannt haben. Wir spürten deutlich: Kranepuhl ist herzerfrischend, er hat gezeigt, dass er Mitarbeiter begeistern kann. Die Beförderung war also keine Schnapsidee. Unsere Entscheidung ist, wenn man so möchte, organisch gewachsen", sagt von Puttkamer.
Haben auch kleine Unternehmen so an die Rekrutierung ihres Nachwuchses heranzugehen wie Azurit mit seinen 60 Pflegezentren und rund 5.700 Mitarbeitern? "Selbstverständlich. Ich kann nur jedem raten, sich früh im eigenen Unternehmen nach geeigneten Kandidaten umzuschauen, wenn klar ist, dass in zwei, drei Jahren Führungspositionen nachbesetzt werden müssen", sagt Welte. "Man kann den Nachwuchs auch ohne hauseigenes Traineeprogramm aufbauen. Man lässt sie mit erfahrenen Führungskräften mitlaufen, schickt sie auf Fortbildungen und übergibt ihnen nach und nach mehr Verantwortung. Das motiviert und verstärkt die Bindung ans Unternehmen. Nachwuchsförderung ist keine Raketenwissenschaft."
Kirsten Gaede