Digitales Shirt mindert Rückenschmerzen in der Pflege
Im Dorea-Pflegeheim am Wall in Braunschweig haben 15 Pflegekräfte acht Wochen lang das Sensorshirt Rectify getestet. Das digitale Trainingssystem erfasst Körperhaltungen, warnt per Vibration bei Fehlbelastung und schlägt individuelle Übungen vor. Die Pflegekräfte trainierten fleißig, ihre Haltung verbesserte sich messbar und erste Rückgänge bei Rückenschmerzen wurden verzeichnet. Laut Rectify-Gründer Benjamin Holmer bezuschussen einige Kassen den Einsatz als Primärprävention.
Rectify
Der Rectify-Sensor im Shirt überträgt etwa die Rückenkrümmung in Echtzeit auf die App und vibriert bei Fehlhaltungen
Die Resonanz unter den Pflegekräften war außergewöhnlich positiv. Im Durchschnitt absolvierten die Teilnehmer 73 Minuten Training pro Woche. Das ist deutlich mehr als bei vergleichbaren Projekten der betrieblichen Gesundheitsförderung, sagt Holmer. "Wir haben erstmals quantitativ erfasst, wie sich die Haltung im Pflegealltag verändert." Viele Pflegekräfte berichteten zudem aus eigener Erfahrung, dass sie nun bewusster auf ihre Bewegungen achten.
Neben den Haltungsverbesserungen zeigte sich auch ein erster Rückgang der Rückenschmerzen. Laut Holmer ist es weltweit das erste Projekt, das nicht nur Fehlhaltungen im Pflegealltag misst, sondern auch Verbesserungen nachweisen kann. Besonders motivierend wirkte der Gamification-Ansatz: Die App belohnt korrektes Verhalten und absolvierte Übungen mit virtuellen Münzen. In Gruppenchats bieten diese zusätzlich Ansporn.
Viola Ehrenberg, Pflegekraft, beschreibt den Effekt gegenüber dem NDR: "Am Anfang hat der Sensor ständig vibriert. Inzwischen gehe ich viel mehr in die Knie, wenn ich mich bücke." In Situationen, in denen sich Fehlhaltungen nicht vermeiden lassen, schlägt der Sensor dennoch Alarm. So sei der Alltag zwar nicht völlig rückenfreundlich, aber die Achtsamkeit habe zugenommen.
Pflegeeinrichtungen können das System acht Wochen lang leihen. Die Kosten liegen bei 200 Euro pro Mitarbeiter. Dafür erhalten sie einen Sensor und drei Shirts, in die der Sensor geschoben wird. Einige Krankenkassen bezuschussen das Angebot als Primärprävention, so Holmer. Nach Ablauf der Testphase können die Beschäftigten den Sensor für 20 Euro im Monat weiter nutzen oder zurückgeben. Die Übungen mit der App können sie dauerhaft nutzen.
Thomas Hartung