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6. Juni 2025 | 07:00 Uhr
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Was Arbeitgeber von der Junge-Pflege-Kritik halten

In der Altenpflege seien Anleitungszeiten, Gehalt und Entwicklungsmöglichkeiten zu gering, die Arbeitsbedingungen schlechter als in Kliniken – so die "Junge Pflege" im DBfK (wir berichteten). Care vor9 hat Vertreter der Trägerverbände dazu um ihre Meinung gebeten: Marc Bischoff vom Verband der kommunalen Senioreneinrichtungen, Isabell Halletz vom Arbeitgeberverband Pflege, Anna Leonhardi (Foto) vom Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege und Thomas Meißner vom Verband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen.

"Die Träger müssen endlich die Ausbildung in den Fokus stellen", sagt Devap-Geschäftsführerin Anna Leonhardi 

Die "Junge Pflege" im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat in dieser Woche ein Positionspapier unter dem Überschrift "Evaluation der generalistischen Pflegeausbildung" heraus gegeben, in dem es mit Kritik an der Altenpflege nicht spart: "Wenn Auszubildende in der Langzeitpflege erleben, dass Fachpersonal herausfordernde Situationen allein bewältigen muss, die Vergütung geringer ausfällt und Karriere- und Entwicklungsperspektiven begrenzt erscheinen, wird dieses Feld als weniger attraktiv wahrgenommen", heißt es da. Die Verbände weisen die Kritik nicht kategorisch zurück, reagieren durchaus differenziert, sehen die Kritik aber nicht in allen Punkten gerechtfertigt.        

Marc Bischoff, Vorstandsmitglied im Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB), Geschäftsführer von Leben & Wohnen in Stuttgart

Die Kritik der AG Junge Pflege des DBfK ist aus Sicht des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) e. V. in Teilen nachvollziehbar, lässt jedoch zentrale Aspekte unberücksichtigt. Als Träger der Langzeitpflege stehen wir in einem strukturell benachteiligten Wettbewerb mit Krankenhäusern – sowohl bei der Personalgewinnung als auch bei tariflichen und vergütungsrelevanten Fragen.

Trotz der Tariftreueregelung in der Altenpflege bleiben Krankenhäuser in ihren Vergütungsstrukturen oft flexibler. Übertarifliche Gehälter, wie sie dort gezahlt werden, sind in unseren Pflegesatzverhandlungen nicht refinanzierbar. Um Pflegefachkräften mit vergleichbarer Qualifikation gleiche Arbeits- und Einkommensbedingungen zu ermöglichen, bedarf es politischer Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen. Auch die Übertragung zusätzlicher Kompetenzen nach internationalen Vorbildern könnte die Attraktivität des Berufsbilds deutlich steigern.

Die Herausforderungen bei der Praxisanleitung unter Personalnot betreffen nicht nur die Altenpflege, sind aber dennoch ernst zu nehmen. Kritik an eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten und belastenden Arbeitsbedingungen muss Anlass zur Verbesserung sein.

Uns als Trägern geht es – wie dem DBfK – um eine nachhaltige Sicherung fachlicher Qualität und personeller Ressourcen. Eine hochwertige Ausbildung sowie attraktive Arbeitsbedingungen sind dafür unerlässlich. Politik, Schulen und Träger müssen hier gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Im Rahmen unseres Bundeskongresses im Herbst möchten wir diskutieren, wie das "System Pflege" zukunftsfähig neu gedacht werden kann. Wir laden den DBfK und die Junge Pflege ausdrücklich zum gemeinsamen Austausch ein.

Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP) 

Das Engagement der Jungen Pflege des DBfK ist zu begrüßen. Nicht nachvollziehbar ist die Kritik, dass die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege strukturell schlechter bewertet werden als in den Krankenhäusern. Die Altenpflege ist ein komplett anderes Pflegesetting, nämlich das der Langezeitpflege, und umfasst daher auch andere Schwerpunkte. Leider geht die Junge Pflege in ihrem Positionspapier nicht näher darauf ein, was sie zu dem Schluss verleitet hat. Sinnvoll wäre, die Umfrage wenigstens in der Quellenangabe aufzuführen, damit die Ergebnisse eingesehen werden können.

Bei der Bezahlung hat sich eine Menge getan. Wir haben seit 2009 nicht nur den Pflegemindestlohn, sondern auch seit knapp drei Jahren die Tarifpflicht. Die hat dazu geführt, dass die Löhne jährlich deutlich stärker gestiegen sind als in anderen Branchen. Das Statistische Bundesamt hat im Mai 2025 veröffentlicht, dass sich die Bruttomonatsgehälter in der Altenpflege denen im Krankenhaus fast angeglichen haben. Vollzeitbeschäftigte Pflegefachpersonen in der Altenpflege verdienten im April 2024 im Mittel 4.228 Euro brutto, im Krankenhaus waren es hingegen 4.310 Euro brutto. Von einer schlechten Bezahlung kann nicht mehr die Rede sein.

Seit Jahren setzt sich der AGVP für einen kompetenzorientierten Einsatz in der Altenpflege ein und auch für eine klare Definition der Aufgaben gemäß der jeweiligen Qualifikation. Wir begleiten zudem unsere Arbeitgeber bei der Weiterqualifizierung von Hilfs- zu Fachpersonen, bei der Entwicklung modularer Weiterbildungen und unterstützen innovative Personalentwicklungskonzepte bei der Einführung in die Praxis.

Eine gute Praxisanleitung ist wertvoll für den Ausbildungserfolg. Allerdings sind Sanktionen, so wie sie von der Jungen Pflege gefordert werden, der falsche Weg. Herrscht doch in der Pflege bereits eine Misstrauens- statt einer Vertrauenskultur. Vor Einführung der Generalistik hatte der AGVP bereits auf das große Aufgabenspektrum und neue bürokratische Aufwände für die Praxisanleiter aufmerksam gemacht. 

Zusätzlich zu den mindestens zehn Prozent Anleitung müssen Praxisanleitende den praktischen Unterricht vorbereiten, dokumentieren, sich mit der Praxisbegleitung der Schulen regelmäßig austauschen, Auszubildende betreuen, die im Rahmen der Praxiseinsätze von anderen Ausbildungsbetrieben kommen, Mitglied im Prüfungsausschuss sein etc.  

Zur Bewältigung dieser vielfältigen und wichtigen Aufgaben haben wir eine Freistellung und vollständige Refinanzierung der Aufwände für Praxisanleitungen gefordert. Doch es zeigt sich, dass die Kosten eben nicht zu 100 Prozent refinanziert werden und dadurch eine komplette Freistellung nicht immer möglich ist. Die Doppelbelastung führt zu Unzufriedenheit bei allen Beteiligten.

Anna Leonhardi, Geschäftsführerin vom Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege (Devap) zusammen mit Uwe Machleit, Devap-Vorstand und Mitglied der Fachkommission der Bundesministerien für Gesundheit und Familie, die mit den Rahmenplänen für die Pflegeausbildung betraut ist

Die Evaluation der Jungen Pflege des DBfK zeigt, dass der Geist der Generalistik noch nicht bei allen für die Pflegeausbildung Verantwortlichen angekommen ist. Dies ist dem umfassenden Veränderungsprozess geschuldet, der mit Einführung der generalistischen Ausbildung am 1. Januar 2020 gestartet wurde. Denn Umlernen ist immer schwieriger als Neulernen. Die für die Ausbildung zuständigen Träger der ambulanten, stationären und Akutpflege und auch die Pflegeschulen mussten sich nach Einführung der generalistischen Ausbildung neu aufstellen und sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen; dies neben den besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie. 

Diese Veränderungsprozesse bedürfen eines ganzheitlichen Umdenkens bezüglich der bisherigen Personal- und Organisationsentwicklung bei den Trägern und den Lehrplänen bei den Schulen. Die Ursachen für mangelhafte praktische und theoretische Ausbildungsbedingungen in der generalistischen Ausbildung zu suchen, wäre jedoch, wie auch das Positionspapier des DBfK betont, der falsche Schluss: Die Träger müssen endlich die Ausbildung in den Fokus stellen, denn Auszubildende sind Lernende, keine Beschäftigten. Es bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um den Paradigmenwechsel von Seiten der schulisch Verantwortlichen und der Ausbildungspraxis gut zu begleiten. Hierbei müssen auch die Auszubildenden durch die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter und die Lehrenden gestärkt werden, damit sie aktive Botschafter für die generalistische Ausbildung sind. Der Anspruch auf  zehn Prozent Praxisanleitung ist beispielsweise ein Novum, dass zwingend eingefordert werden sollte.

Thomas Meißner, Vorstandsmitglied des Anbieterverbands qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG)

Dass die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen sowie Aufstiegsmöglichkeiten in Einrichtungen der Langzeitpflege ambulant als auch stationär völlig andere sind als in der Klinik, ist kein neues Phänomen. Zu begrüßen ist aber, dass dies jetzt auch die Junge Pflege kritisiert. Die Junge Pflege kommt zu dem Schluss, dass es umso wichtiger sei, gezielt in attraktive Rahmenbedingungen zu investieren: gute Anleitung, faire Bezahlung, personelle Entlastung und Entwicklungschancen.

Weiter heißt es: Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, könne die Langzeitpflege im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen – und für Auszubildende zu einer bewussten und motivierten Berufswahl werden. Zunächst einmal ist festzustellen, dass seit dem Tariftreuegesetz auch in diesem Bereich deutlich höhere Löhne gezahlt werden. Außerdem fühlen sich beruflich Pflegende schon heute wohl in diesen Bereichen und sie leisten auch eine tolle und engagierte Arbeit am Menschen.

Nicht zu vergessen ist, dass vor dem Tariftreuegesetz das Problem in erster Linie nicht bei den Einrichtungen, sondern vielmehr bei den Kostenträgern lag. Jetzt wurden diese gesetzlich zur Refinanzierung verpflichtet. Trotzdem müssen die Einrichtungen und Verbände der Einrichtungsträger mit einigen Kostenträgern zäh um genau diese Refinanzierung der endlich höheren Löhne ringen. 

Wo aber ist der Unterschied zur Klinik? Gerade im ambulanten Bereich sind es kleine, kleinst- und mittelständische Unternehmen, die mit hochmotivierten Mitarbeitenden die hochflexible, immer von neuen Eindrücken und Situationen geprägte, tägliche Arbeit bewältigen. Die unternehmerischen Strukturen sind deutlich anders als in den Kliniken: Fachabteilungen gibt es nicht und Spezialverantwortlichkeiten liegen oft in wenigen Händen.

Dass in Betrieben mit zehn, 15 oder 30 Mitarbeitern die Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt sind, liegt auf der Hand. Sind aber die Entwicklungsmöglichkeiten im Berufsleben immer auf den Aufstieg beschränkt? Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. In Österreich wird der Pflegeberuf ab 2026 als Schwerarbeit eingestuft. Das macht deutlich, wie andere Nationen ihre Pflegekräfte wertschätzen.

Der Jungen Pflege des DBfK ist zu danken, dass sie auf diese Mängel und Verbesserungspotenziale hinweist. Wichtig wäre allerdings auch, nicht nur allgemein zu formulieren, sondern konkrete Vorschläge zu machen für das Handling der Situationen in einem ambulanten Pflegedienst, die sich substanziell von denen im Krankenhaus unterscheiden. Die Impulse und Ratschläge für Verbesserungen sollten in erster Linie an der Praxis orientiert sein und weniger theoretisch hergeleitet.

Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Optimismus. Das Glas sollte immer halb voll und nicht halb leer sein. Zu einer Kritik gehört es auch, auf die Verbesserungen zu verweisen, die bereits jeden Tag von Einrichtungen durch einen guten Dialog zwischen Leitung und Mitarbeitenden geschaffen wurden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind eine Einheit, keine Gegner.

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