Obergrenze der Eigenanteile auch für ambulante Pflege
Die Idee von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Foto) für eine Obergrenze der Eigenanteile in der stationären Langzeitpflege stößt weiter auf Kritik. Der Verband der Privatkassen rechnet vor, dass dies bei einem Eigenanteil von 700 Euro bis 2030 rund 80 Milliarden mehr Beiträge durch die Versicherten bedeuten würde. Die Initiative Ruhrgebietskonferenz-Pflege unterstützt zwar dem Vorschlag des Ministers, fordert aber, auch die ambulante Pflege einzuschließen. Dort sei die Situation mindestens ebenso dramatisch.
Aktuell zahlen Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen im Durchschnitt 2.870 Euro pro Monat aus eigener Tasche – fast Prozent mehr als vor einem Jahr. Doch auch in der ambulanten Pflege ist die finanzielle Belastung enorm, rechnet die Ruhrgebietskonferenz-Pflege vor. "Bei zwei Stunden ambulanter Pflege täglich belaufen sich die Kosten auf rund 4.000 Euro pro Monat. Die Pflegekasse übernimmt im Pflegegrad 2 nur 761 Euro, im Pflegegrad 3 lediglich 1.432 Euro", erklärt Thomas Eisenreich, Sprecher der Initiative und Chef des ambulanten Dienstleisters Home Instead.
Verzicht statt Eigenanteil ist die Realität in der ambulanten Pflege
Nach dieser Rechnung verbleibt in der ambulanten Pflege ein Eigenanteil je nach Pflegegrad zwischen 3.239 und 2.568 Euro, so Eisenreich. Er registriert allerdings, dass dieser Eigenanteil nicht in Euro bezahlt wird. "Die Betroffenen können sich das gar nicht leisten. Stattdessen übernehmen sie selber die notwendigen Arbeiten. Das geht aber zu Lasten des eigenen Familien- und Berufslebens."
Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege verweist darauf, dass von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland 84 Prozent im eigenen Haushalt betreut werden. Nur 16 Prozent leben in stationären Einrichtungen. Eine Obergrenze, wie sie Lauterbach vorschlägt, würde nur sie entlasten, die große Mehrheit nicht.
Ruhrgebietskonferenz-Pflege nennt Lauterbach "Ankündigungsminister"
Die Ruhrgebietskonferenz-Pflege fordert daher eine umfassende Reform der Pflegefinanzierung. "Mit Obergrenzen und Preisbremsen ist es nicht getan. Wir benötigen eine grundlegende Neuaufstellung der Finanzierung von Pflege- und Betreuungsleistungen", betont Ulrich Christofczik, Geschäftsführer der Evangelischen Dienste Duisburg und Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege. Er bezeichnet Lauterbach als "Ankündigungsminister", der die grundlegende Reform auf die lange Bank schiebe.
Doch schon eine Obergrenze der Eigenanteile in der stationären Pflege würde erhebliche Kosten verursachen. Eine Deckelung auf 700 Euro pro Monat würde bereits 2024 zu zusätzlich 8,1 Milliarden Euro kosten. Bis 2030 würden die jährlichen Kosten auf 15,2 Milliarden Euro steigen. "Obergrenzen für die Eigenanteile sind Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar", sagt Florian Reuther, Verbandschef der privaten Kassen, der für eine private Zusatzversicherung für das Pflegerisiko trommelt.
Thomas Hartung