OLG-Urteil gibt RTL gegen Heimbetreiber weitgehend Recht
Acht Jahre nach der Ausstrahlung des verdeckt gedrehten TV-Beitrags von Günter Wallraff (Foto) über Missstände im "Pflegehaus Kreuzberg" hat sich der Sender RTL vor dem Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg weitgehend gegen die MK-Kliniken AG (ehemals Marseille-Kliniken AG) und die Allgemeine Soziale Dienstleistungen gGmbH durchgesetzt. Das Gericht wies einen Großteil der Unterlassungs- und Richtigstellungsforderungen der Betreiber ab.
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Der inzwischen 82-jährige Günter Wallraff hat schon in den 70er Jahren verdeckt bei der Bild-Zeitung recherchiert
Auslöser des Verfahrens war eine Sendung vom 28. August 2017, in der Reporter des "Team Wallraff" verdeckt Missstände in dem Berliner Pflegeheim dokumentiert hatten. Darunter mangelnde Hygiene, Personalmangel und unzureichende Pflege. Die Betreiber hatten darin unzulässige oder falsche Darstellungen gesehen und auf Unterlassung sowie öffentliche Richtigstellung geklagt.
Das OLG entschied jedoch, dass die meisten der beanstandeten Passagen zulässige Meinungsäußerungen oder wahre Tatsachenbehauptungen seien. Formulierungen wie "schockierende Zustände" oder "erschreckende Missstände" wertete das Gericht als legitime journalistische Bewertungen, heißt es in einer RTL-Pressemitteilung.
Zudem hat das Gericht laut RTL die Bedeutung von Verdachtsberichterstattung und Undercover-Recherche bestätigt, sofern diese auf glaubwürdigen Hinweisen beruhen. Mit dem Urteil wurden zahlreiche Unterlassungsansprüche aus der Vorinstanz aufgehoben. Die von den Klägerinnen geforderte öffentliche Richtigstellung wurde vollständig zurückgewiesen. Die Klägerinnen müssen nun den Großteil der Prozesskosten tragen.
Wallraff schon zuvor mit Betreiber Marseille in juristischer Auseinandersetzung
Schon im Jahr 2014 hatte Wallraff für RTL über die schlechten Bedingungen beim Altenheimbetreiber Marseille berichtet und war ebenfalls verklagt worden. Auch damals urteilte ein Gericht, in diesem Fall das OLG Köln, überwiegend zu Gunsten der Journalisten. Neun von 13 Verbotsanträgen wurden in zweiter Instanz abgewiesen. In anderen Fällen der Berichterstattung setzte sich der Betreiber hingegen juristisch gegen RTL und Wallraff durch.
Immer wieder hat Günter Wallraff die Zustände in deutschen Pflegeheimen unter die Lupe genommen. So deckte sein Team im Februar 2022 in vier privat betriebenen Einrichtungen – darunter Sereni Orizzonti und Alloheim – gravierende Missstände auf. Die Undercover-Recherche dokumentierte vernachlässigte Bewohner, bedenkliche Hygieneverhältnisse, überlastetes Personal und ein Klima der Angst. Im November 2023 legte sein Investigativ-Formats weitere Schwachstellen offen: Am Beispiel des Pflegeheims Fontiva in Leimen (Baden-Württemberg) zeigte die Reportage mangelnde Fürsorge, Überforderung des Personals und hygienische Defizite.
Pascal Brückmann