Kritik begleitet Pflegegesetz auch nach Verabschiedung
Mit 377 Stimmen dafür und 275 dagegen hat der Bundestag am Freitag das leicht angepasste Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (Pueg) verabschiedet. Es bringt höhere Beiträge schon im Sommer und etwas höhere Leistungen ab dem nächsten Jahr. Die heftige Kritik der Sozialverbände und Organisationen der Pflegebranche reißt indes nicht ab. Einziges Trostpflaster: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Foto) kündigt für nächstes Jahr eine echte Pflegereform an.
Die Diakonie kritisiert das Gesetz als "Flickschusterei" und fordert einen Masterplan für eine grundlegende Reform der Pflege. "Dieses Gesetz ist eine Enttäuschung für alle Pflegebedürftigen, Pflegenden und Angehörigen. Es lässt vor allem pflegende Angehörige im Regen stehen", so Vorständin Maria Loheide. "Wir brauchen eine grundlegende Pflegereform – und zwar bald. Sonst riskieren wir, dass Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt werden können und pflegende Angehörige erschöpft aufgeben müssen. Das wäre eine Katastrophe!"
"Ein nachhaltig tragfähiges Pflegesystem sieht anders aus", kritisiert auch die Caritas. Die jetzt umgesetzten Vorhaben blieben weit hinter den geplanten Änderungen im Koalitionsvertrag zurück. "Wir erwarten, dass Minister Lauterbach das Kapitel Pflegereform damit für diese Legislaturperiode nicht ad acta legt, sondern zeitnah die Themen aufgreift, die diesmal hinten runtergefallen sind", so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
"Die Ampelkoalition zeigt kein Interesse daran, die Pflege zukunfts- und demografiefest aufzustellen", kritisiert Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) den Gesundheitsminister. "Wenn Lauterbach sein aktuelles Gesetz als eine große Reform anpreist, dann hofft er, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen der Grundrechenarten nicht mächtig sind. Die minimale Anhebung der Leistungsbeträge gleicht noch nicht einmal die Kostensteigerung der letzten Jahre aus."
Die Koalition habe sich damit ein Armutszeugnis für ihre Pflegepolitik ausgestellt, so der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (BAD). Das Parlament habe "ein Regelwerk verabschiedet, das keine Lösungen für die drängenden Probleme der pflegerischen Versorgung anbietet. Verlierer sind sowohl die Pflegebedürftigen als auch die Pflegeeinrichtungen." So werde die Pflege in höchste Not navigiert, mahnt BAD-Vorsitzende Andrea Kapp.
"Das ist kein Gesetz, das die Versorgung sichert", sagt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Gesundheitsversorgung endlich insgesamt angefasst wird. Dass das System überhaupt stabilisiert wird. Verabschiedet wird jetzt dagegen eine nur kurzfristige, notdürftige Rettung des Systems, um dieses am Laufen zu halten." Vogler vermisst eine politisch durchdachte Strategie. "Das wenig nachhaltige Handeln von heute holt uns spätestens in fünf Jahren ein. Dann ist der Kipppunkt erreicht."
Selbst für Claudia Moll, die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, ist das Gesetz nur ein erster wichtiger Schritt. "In dieser Legislatur werden und müssen weitere folgen.“ Gesundheitsminister Karl Lauter scheint das auch erkannt zu haben. Er hat in Diskussionen über sein Pueg eine größere Pflegereform für das kommende Jahr angekündigt.